Der Albumtitel erinnert zart an Wilhelm Genazino und dessen vorletzten Roman "Außer uns spricht niemand über uns". Im Gegensatz zu den bei äußerem und innerem Regenwetter zaudernd und zögernd, desinteressiert an der Erwerbsarbeit oder zerrissen zwischen zwei Frauen durch Frankfurt am Main schlurfenden Charakteren des im Vorjahr verstorbenen deutschen Schriftstellers legt es die österreichische Band Viech aber zuversichtlicher an, als es die Cover-Aufschrift "Niemand wird sich erinnern, dass wir hier waren" vermuten lässt - was wohl auch damit zusammenhängt, dass Sänger und Songwriter Paul Plut seit seiner letzten Veröffentlichung Vater wurde.

Und es dauert im Rahmen der Rückkehr mit seiner Stammband überraschenderweise nur bis zum zweiten Song - dem schnörkellosen, von Mann-Frau-Doppelgesang getragenen Titelstück, das auf keinem Wilco- Album negativ auffallen würde -, bis ein selbstreferenzieller Moment in Form einer phrasierten Bluesgitarre an diesen Meilenstein in seiner Diskografie erinnert.

Immerhin hat Paul Plut im Jahr 2017 mit "Lieder vom Tanzen und Sterben" ein Album des Jahres im Zeichen des kulturellen Brückenschlages von der Ramsau in das amerikanische Hinterland vorgelegt. Und er erlaubt sich mit dieser kleinen Anspielung an den Song "Lärche" einen Verweis auf sonst getrennt voneinander existierende Welten. Warum auch alles auf einmal verbraten, wenn man genug Ideen hat, um mit drei Projekten auf diversen Hochzeiten gleichzeitig zu tanzen?

Neben seinen also existenziell gefärbten Solosongs zwischen Dialektgesang und Twanggitarre, die man in der Kirche genauso gut aufführen kann wie in ehemaligen Sargfabriken und Dorfwirtshäusern, und dem garagistischen Punk-Blues im Duo als Marta ist das Bandprojekt Viech für die Popseite und den optimistischen Blick auf das Leben da. Immerhin ging es bereits mit frühen Songs wie "Steuermann" von 2013 ansteckend feierlich zu, während das Album "Yeah" im Jahr 2016 die Frohbotschaft schon im Titel hatte. Lediglich "Heute Nacht nach Budapest" erlaubte sich zwei Jahre später - und vermutlich aufgrund der zeitlichen Nähe zu Pluts Solodebüt - Streifzüge durch die Schattenwelt.

Letztere sind auf "Niemand wird sich erinnern, dass wir hier waren" (Abgesang) zwar noch mit dem in Richtung Barhockerdepression verweisenden "Manchmal ist alles an mir falsch" und seiner hübschen wie hübsch selbstmitleidigen Textzeile "Ich gehöre nicht dazu / Ein Erdäpfel beim Obst" vertreten: Noch einen Whiskey, bitte! Dieser Einschlag ist unter den fünfzehn in 50 Spielminuten gereichten Songs allerdings schwer in der Minderheit.

Die Omi und die SVA

Ein semiakustischer Grundton im mittleren Tempobereich dominiert das Geschehen, interpunktiert von der fein gesponnenen Instrumentalarbeit des großartigen, auf Kosten des Protzens und Prahlens glücklicherweise aber auf Understatement setzenden Gitarristen Paul Plut. Das Album eröffnet bei "FAQ" frei nach Jochen Distelmeyer und Blumfeld ("Kommst du mit in den Alltag?") mit Fragen nach den gewöhnlichen Seiten des Lebens - Stichwort SVA! -, wechselt mit dem von einem gefühligen Vintage-Klavier abgefederten "Das ging schnell", dem friedlichen "Schneekanonenteich" oder ans Herz rührend mit "Da kommen wir zwei" aber bald über in die Hauptnarration. Es geht um ein gewisses Coming-of-Age-Gefühl und den Blick zurück in die Kindheit. Nicht von ungefähr ist als Schöpferin derTypo laut Credits auch Omi Plut an diesem Album beteiligt.

Bei "In der Nacht" legen es Viech diesmal wieder mitsingtauglich an."Levi’s Thema" als melancholische Tastenminiatur und die Gitarrenkontemplation "Körösistraße" sorgen für Atmosphäre. Scheinbar locker aus dem Ärmel geschüttelten Songs wie "1989" wiederum gelingt das Kunststück, auch in einer Spielzeit von nur zwei Minuten nichts ungesagt zu lassen.

Am Ende hat es sich die Band redlich verdient, dass man sich einmal an sie erinnert. In charakteristischer und in diesem Fall grundloser Bescheidenheit aber heißt es: "Die Erde dreht sich immer nie um uns."