Ein Mangel an Zitatangeboten war Tocotronic bekanntlich noch nie vorzuwerfen. Immerhin setzt die längst in Berlin ansässige Band aus der guten alten Hamburger Schule bereits seit ihrem vor mittlerweile einem Vierteljahrhundert erschienenen Debütalbum "Digital ist besser" (mit Songs wie "Samstag ist Selbstmord" oder "Ich möchte Teil einer Jugendbewegung sein")
neben für sich genommen interessanten Songtiteln vor allem auf Slogans, die sehr gerne eine gewisse Grundhaltung transportieren, Stichwort "Pure Vernunft darf niemals siegen" oder "Aber hier leben, nein danke".

Allerdings bestand das Problem bei Tocotronic definitiv nie in der Überschrift. Sagen wir so: Lyrics wie jene zu "Die Erwachsenen" gehen mit viel gutem Willen eventuell noch als Jugendsünden durch. Leider aber sind sie erst im Jahr 2015 entstanden. Sänger und Textbeauftragter Dirk von Lowtzow damals als bereits angehender Silberrücken reichlich ungelenk: "Man kann den Erwachsenen nicht trauen / Ihr Haar ist schütter, ihre Hosen sind es auch." Und: "Wir sind Babys / Sie verstehen uns nicht / Wir sind Babys / Wir spucken ihnen ins Gesicht."

Die Idee, einen Comicband auf Basis von Tocotronic-Songs herauszugeben, ist also gar nicht so unmutig. Schließlich hat das Genre allein mit seinen knallbunten "BANG!"-, "BAM!"- und "POW!"-Sprechblasen jede Menge (Wort-)Kreativität unter Beweis gestellt, die man als Messlatte hernehmen könnte. Zum Glück ist dem Mainzer Ventil Verlag mit "Sie wollen uns erzählen. Zehn Tocotronic-Songcomics" (Hg. Michael Büsselberg, 128 Seiten, 25,70 Euro) dann aber eh eine liebevolle Hommage gelungen, in der ordentlich Provinzblues geschoben, Kette geraucht und herumgeknutscht wird. Süßer Vogel Jugend! Manchmal aber auch traurig.

Coming-of-Age-Moment

Stilistisch mögen zwischen die Geschichten von Jim Avignon, Sascha Hommer, Katja Klengel & Christopher Tauber oder Julia Bernhard (Comic-Kubismus, reduziert-düstere Pinselstriche, etwas Manga-Einfluss und zeitgemäße Graphic-Novel-Ästhetik) einige Blätter passen. Eine Verbindung der zehn Beiträge aber besteht im Hang zur illustrierten Außenseiterhymne und dem gewissen Coming-of-Age-Moment. Nicht zuletzt Philip Waechters "Electric Guitar" kreuzt diesbezüglich das Frühlingserwachen der Gefühle mit den musikalischen Initiationsgesten, die den Grundstein für die spätere Karriere legten.

In den Begleittexten Dirk von Lowtzows fallen in Zusammenhang mit "Die Erwachsenen" übrigens die Namen Ingeborg Bachmann und Thomas Bernhard. Das ist gewagt. Allerdings steht ihm Schlagzeuger Arne Zank als Zeichner einer niedlichen Kindergeschichte mit Tocotronic als Vögeln, die Küken sind, in dieser Hinsicht um nichts nach.