"Before I go / Im hangin a cross on a nail / I hung one for you in there": Es gibt Stimmen, die hinterlassen nach wiederholten Begegnungen keinen bleibenden Eindruck. Und es gab Mark Lanegan, der einem bereits bei der Erstanhörung die Schuhe auszog. Wir sprechen von einem vom Leben gezeichneten, nach Whiskey und kaltem Rauch klingenden Bariton, der mit jedem Nahtoderlebnis an Tiefe und Autorität gewann.
Grabesstimme
Als der am 25. November 1964 im US-Bundesstaat Washington geborene Sänger und Songwriter etwa in den Nullerjahren als wandelnde Grabesstimme des britischen Downtempo-Duos Soulsavers Gänsehaut bereitende Songs wie "Revival" oder "Kingdoms Of Rain" zum Besten gab, war ein neues Karrierekapitel aufgeschlagen, das auch auf einem Umstand beruhte: Diese auf regennassen Straßen entweder in der tiefen schwarzen Nacht oder in der dräuenden Dämmerung angesiedelten Songs zelebrierten den engen Spalt zwischen diesseitigem Dunkel und jenseitigem Licht.
Kaum jemand konnte darüber glaubhafter singen als Mark Lanegan. Der Elder Statesman des Alternative Rock und die spätere Stimme eines über das Genre selbst hinausgehenden Blues, der auf dem tief in der Musik des US-Südens generell verwurzelten Ur-Topos von Schuld und Sühne beruhte, war dem Tod schon wiederholt von der Schaufel gesprungen.
Mark Lanegan sprach dem Alkohol bereits zu, bevor er zum Teenager wurde, mit 18 kamen die harten Drogen. Über seine Anfänge in der für die Entwicklung der Independent-Szene im Allgemeinen und den Durchbruch von Grunge im Speziellen einflussreichen Band Screaming Trees behauptete er: "I was such a shitty drummer that they made me sing" - ein Glücksfall: Gemeinsam entstanden vier Alben für das prägende, von Black-Flag-Mann Greg Ginn gegründete Label SST Records, bevor der Durchbruch nach dem von Chris Cornell co-produzierten Album "Uncle Anesthesia" mit dessen Nachfolger "Sweet Oblivion" von 1992 ausgerechnet auf einem Major-Label erfolgte.
Nirvana waren kurz davor durch die Decke gegangen und die Musikindustrie verfiel einmal mehr in Goldgräberstimmung. Doch Mark Lanegan entschied sich für die Nische. Noch parallel zur Arbeit mit den Screaming Trees bis ins Jahr 1996 begann er eine Solokarriere, die bis heute zwölf Alben zeitigte.
Auf dem ersten davon, "The Winding Sheet" von 1990, half sein Freund Kurt Cobain bei zwei Stücken aus, auf seinem wahrscheinlich erfolgreichsten, "Bubblegum" von 2004, gab sich eine Reihe an Gästen von PJ Harvey abwärts die Ehre. Parallel dazu wurde Mark Lanegan zum fixen Bestandteil der Queens Of The Stone Age, gründete gemeinsam mit Greg Dulli von den Afghan Whigs die Gutter Twins und charmierte gemeinsam mit Isobel Campbell mit folkgrundierten Mann-Frau-Balladen. Nicht zuletzt seine Arbeit mit dem Erlösungsgospel der Soulsavers garantierte zahllose Aufträge als Mark und Bein durchdringende Gaststimme, deren Spezialgebiet stets im Grenzbereich zwischen Hoffnung und Verzweiflung lag.
Zuletzt ist Mark Lanegan auch unter die Autoren gegangen. Nach seiner schonungslosen Autobiografie "Sing Backwards And Weep" von 2020 ist mit "Devil In A Coma" die Aufarbeitung seiner Corona-Erkrankung erschienen, die ihn im März 2021 - ein letztes Mal - nur beinahe das Leben gekostet hätte.
Am Dienstag ist der große Dämmerungssänger nun für immer im Zwielicht verschwunden. Mark Lanegan starb in seiner späten Wahlheimat Irland. Er wurde 57 Jahre alt.