"Ottl?" - "Yep." - "Wo gehst du hin, wenn dir dein Hax'n wehtut?" - "Zur Orthopädin." - "Und wo gehst du hin, wenn dir dein Hals wehtut?" - "Zum HNO-Arzt." - "Und wo gehst hin, wenn dir die Seele wehtut?" - "Zur Therapie." - "Warst schon einmal?" - "Jup. Du?" - "Jup. Ist das was zum Schämen?" - Die Antwort auf diese Frage, die Paul Pizzera im Intro zum neuen gemeinsamen Song mit Otto Jaus stellt, geben die beiden in den folgenden vier Minuten. Denn "Klana Indiana" handelt von ernsten und wichtigen Themen: Einsamkeit, Angst, Depressionen, Schmerzen, Schwäche.
Damit stellen sich die beiden einmal mehr - nach Pizzeras augenzwinkerndem, aber eben doch auch mit ernstem Hintergrund geschriebenem Buch "Der hippokratische Neid" - in den Dienst der Psychogesundheit und singen ein Plädoyer dafür, die Stärke zu haben, Schwäche zu zeigen. Das Musikvideo dazu hat die Mutterschifffilm produziert. Es ist kein Gute-Laune-Hit, aber schon auch ein Mut-mach-Lied, das trotz vier Minuten Dauer irgendwie sehr rasch wieder vorbei ist. Viel Text ist nicht dabei, aber was sie zu sagen haben, haben die beiden am Ende gesagt.
Worum es ihnen mit dem Lied gegangen ist, erklärt Pizzera so: "Jeder Mensch hat eine Seele. Und genau die zählt zu den empfindlichsten Attributen, die wir unser Eigen nennen. Seelenschmerzen gehören gehört und behandelt. Dass das nichts ist, wofür man sich schämen soll, wollen wir bewusst machen und dem Tabu eines therapeutischen Gesprächs die Schwere nehmen. Wir alle sind einmal fragil und brauchen Hilfe, weil wir nunmal Menschen sind." Und sein Spezl Jaus, der Ende 2020 Vater geworden ist, ergänzt: "Es wird Zeit, dass wir Kindern und Jugendlichen vermitteln, dass es einem nicht immer gut gehen muss. Und falls man auf Dauer so niedergeschlagen ist, dass es einem schwer fällt, in der Früh das Bett zu verlassen, ist es auch völlig in Ordnung und sogar dringend nötig, um psychische Hilfe zu bitten. Und jetzt kommts – und das kann doch bei Gott nicht so schwer sein: Diese Unterstützung sollten sie dann auch so schnell wie möglich bekommen. In Form von Hilfsangeboten, (Schul-)Psychologinnen und vor allem ohne bürokratische und finanzielle Hürden."
Ihr "Klana Indiana" (der Titel bezieht sich natürlich auf den dummen Spruch, dass "ein Indianer keinen Schmerz kennt") kann als ein weiteres Puzzlestück der Initiative "Gut, und selbst?" gesehen werden, die von mehr als 50 NGOs, Institutionen sowie Expertinnen und Experten unterstützt wird und sich der psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen widmet. Initiiert wurde sie von der Schülerunion Österreich, dem Online-Selbsthilfeprogramm "IstOkay.at" der Donau Universität Krems, dem Österreichischen Berufsverband für Psychotherapie sowie der Österreichischen Gesellschaft für Kinder und Jugendpsychiatrie. Es geht darum, alle Projekte und Initiativen, die es bereits zu dem Thema gibt, zu bündeln und durch ein gemeinsames Auftreten Größe und Stärke zu generieren. Es geht um Enttabuisierung, Bewusstseinsbildung und Ermutigung.
Gerade Tabus sind immer noch ein großes Problem, wenn es um psychische Probleme geht. "Allein die Tatsache, zur Gruppe der psychisch Kranken zu gehören, stellt einen gesellschaftlichen Tabubruch dar, der häufig zu sozialer Ausgrenzung führt. Menschen mit psychosozialen Problemen leiden jedoch nicht nur am Stigma, 'psychisch krank' zu sein, sondern sind häufig einer Kombination mehrerer Tabus ausgesetzt", erkärt der Psychiater und Psychotherapeut Günter Klug. Er ist Präsident des Dachverbandes pro mente Austria, der am Donnerstag in Innsbruck genau zu diesem Thema eine Fachtagung mit rund 350 Fachkräften aus dem Bereich der psychosozialen Betreuung abgehalten hat. "Jedes mit der Erkrankung in Zusammenhang stehende Anderssein wird von der Gesellschaft nur allzu oft als zusätzlicher Makel aufgefasst", so Klug. Und so tun sich Betroffene umso schwerer, über ihre Sorgen, Nöte und Probleme zu reden - und damit Tabus zu brechen. Genau dazu wollen sie Pizzera und Jaus mit ihrem Lied ermutigen. Und Klug stellt klar: "Wir schaffen uns unsere Tabus selbst, also können wir sie als Gesellschaft auch wieder ändern."