Die Einteilung in Morgen- und Nachtmenschen spaltet die Gemüter bekanntlich nicht erst seit heute. Während der eine mit seiner Tasse Kräutertee beim Wake-up-Yoga bereits die Sonne begrüßt, zieht der andere gerade noch einmal die Decke über den Kopf. Oder um es mit Garfield zu sagen: "Es gibt viel zu tun - fangt schon mal an!"

Ob es sich bei Jack White um einen Morgen- oder um einen Nachtmenschen handelt, ist nun einerseits klar - und andererseits auch wieder nicht. Immerhin ist der Mann beruflich im Bluesrock aktiv, mit dem man sich im Regelfall nicht bei einer Tasse Tee auf das Tagwerk einstimmt. Eher geht es darum, die drohende Sperrstunde möglichst so lange vom Barhocker aus zu ignorieren, bis draußen schon wieder die Vögel zwitschern. Genreklassiker wie "One Bourbon, One Scotch, One Beer" in der Version von John Lee Hooker künden davon.

Boom, bang!

Allerdings ist Jack White als Gründer und Chef seines "Third Man"-Imperiums ein viel beschäftigter Mann, der sich einen inneren Garfield gar nicht erst leisten kann. Neben seinem gleichnamigen Label mit Standorten in Nashville, Detroit und London sowie seinen Tonstudios mit angeschlossener Konzerthalle und Vinylpresswerk betreibt der gelernte Polsterer ja auch noch eine Solokarriere.

Nach seinem Welterfolg mit den White Stripes, deren Hit "Seven Nation Army" von 2003 sehr zu Whites eigener Überraschung noch heute als Fanchor in Fußballstadien umgeht, sowie über parallel dazu aufgebaute Zweit- und Drittkarrieren mit den Bands The Raconteurs und The Dead Weather hält der 46-Jährige mittlerweile bei Solostreich Nummer vier. Sein soeben vorgelegtes neues Album trägt den Titel "Fear Of The Dawn" und schlägt unüberhörbar ein neues nächtliches Kapitel auf.

Unter dem Motto "Here in the night / Everything’s right" aus einem programmatisch betitelten Song namens "Into The Twilight", bei dem in bester Cut-up-Technik auch noch die Stimme des US-Beat-Poeten William S. Burroughs auftaucht, geht es um nichts weniger als darum, der gelben Sau gute Nacht zu sagen. Tageslicht wird allgemein überschätzt. Und wer braucht schon Vitamin D, wenn er nobelblass mit schwarzer Sonnenbrille im Vamp-Look einfach wie eine coole Socke aussieht?

Nicht zuletzt ein Stück wie das zwischen Dub-Reggae, Tappingtechnik und dem Studio als Hauptinstrument angelegte "Eosophobia" beschwört konsequenterweise die pathologische Angst vor der Morgendämmerung und dem Sonnenschein. Wobei Jack White zur einen oder anderen hübschen Zeile unter monothematischen Vorzeichen - Stichwort: "Better to illuminate than merely to shine" - vor allem zu alter Bluesrock-Stärke zurückfindet. Stärke im Sinne von Klasse und Qualität, Stärke aber auch wie: Kraft, Wucht, boom, bang!

Beim Alteisenhändler

Abermals hat der Musiker beinahe alle Instrumente des Albums selbst eingespielt, um mit der Vorabsingle "Taking Me Back" und dem Titelstück gleich in die Vollen zu gehen. Außer grob geholzt soll dabei nur grob geholzt werden: Zu kompromisslosem Dampfhammerschlagzeug, schweren Starkstromriffs, närrischen Schwurbelsolos und wild durch den Klangraum flickernder Unterhaltungselektronik gibt White den Mister 100.000 Volt, der es noch einmal wissen will. Der Spielwitz im Vortrag wird dabei auch im Aberwitz der Arrangements widergespiegelt.

Dem Mann sitzt der Schalk also noch immer im Nacken - ob mit einem Sample des Jazzmusikers Cab Calloway im gemeinsam mit Rapper Q-Tip von A Tribe Called Quest gegebenen "Hi-De-Ho", das offenbar zur Geisterstunde auf dem Areal des ortsansässigen Alteisenhändlers beginnt, oder bei näher an den White Stripes gehaltenen Songs wie "That Was Then, This Is Now", das mit beschwingter Melodie im verspielten Scheppersound schlichtweg heiter stimmt. Eines kann man dem Album jedenfalls nicht vorwerfen, nämlich nicht unterhaltsam zu sein.

Bereits im Juli soll übrigens der Nachfolger erscheinen. Der Morgen- oder Nacht-, ach was, der Musikmensch Jack White war zuletzt wieder fleißig und inspiriert, wofür auch bereits der Albumtitel "Entering Heaven Alive" spricht. Auf die angeblich ruhigeren Stücke dieses Albums wiederum wird zum Abschluss von "Fear Of The Dawn" mit dem bereits sanft gedämpften "Shedding My Velvet" übergeleitet, bei dessen zentralem Satz man Jack White allerdings widersprechen muss: "I’m not as bad as I was / But I’m not as good as I can be." Guter Mann!