Eines mag Suki Waterhouse auf keinen Fall über sich lesen: "Ein Model, das jetzt auch Musik macht." Oder: "Eine Schauspielerin, die jetzt auch Musik macht." Je nachdem, als was man die zierliche 30-jährige Britin vorrangig einstuft.
Ihren Weg gemacht hat sie als Unterwäsche-Model bei Marks and Spencer, danach warb sie für Marken wie Tommy Hilfiger, Swatch, Alice + Olivia oder Pepe Jeans und schmückte die Cover vieler Ausgaben von "Vogue", "Elle" & Co. Sie hat, als Fotografin, auch hinter der Kamera Position bezogen. Und seit etwa Mitte der Zehnerjahre verfolgt sie eine ansehnliche Karriere als Film- und Fernsehschauspielerin mit einem gewissen Hang zu romantischen Komödien, aber auch anspruchsvolleren Streifen wie etwa dem Science-Fiction-Drama "Jonathan".
Das alles möge man also tunlichst ausblenden, wenn man von ihrem Debütalbum "I Cant Let Go" spricht. Und fürwahr, das sollte man wirklich.
Renommiertes Label
Das Erste, was frappiert, ist die Stimme von Suki Waterhouse - voll, mit allen Höhen und Tiefen vertraut, reif, dabei durchaus noch von juveniler Frische. Das Zweite sind die Songs, die Waterhouse allein oder im Team verfasst hat. Deren Niveau fällt zwar im Verlauf der LP etwas ab, kann sich aber im Querschnitt immer noch mehr als nur hören lassen. Das Dritte ist die Adresse, bei der die Musikerin veröffentlicht, nämlich nicht bei irgendeinem Major, sondern beim renommierten Indie-Label Sub Pop. Diese Frau meint es also richtig ernst mit der Musik.
Dementsprechend zielstrebig ging sie mit Brad Cook auch die Wahl des Produzenten an, der u. a. schon für Bon Iver, The War On Drugs und Waxahatchee an den Reglern gedreht hat und unter anderem in der Band Hiss Golden Messenger mitmischt, deren countryinduzierter Folk es Waterhouse besonders angetan hat. Dieser Einfluss schlägt sich in der Musik, die darum ziemlich amerikanisch klingt, nieder. Sharon Van Etten, der Waterhouse ebenfalls Bewunderung zollt, ist hin und wieder herauszuhören, mittelbar auch Lucinda Williams; andere Favoriten wie Alanis Morissette, Oasis oder Garbage dagegen kaum. Eher klingt, wenn sich ihre Stimme zum Falsett aufschwingt, Lana Del Rey (minus das Allerärgste an Unterwürfigkeit) durch.
Inhaltlich dreht sich das Album, wenig überraschend, um Beziehungen. Da bietet sich scheinbar die Deutung an, dass Waterhouse, die sich öffentlich eher zurückhaltend mit Details aus ihrem Privat- und Innenleben gibt, in der Musik ein Ventil für ihre Gefühle findet. Das stimmt so weit, dass die Songs meist aus irgendeiner Art von Betroffenheit heraus entstanden sind, dem Bruch von Beziehungen gefolgt sind oder unbehagliche Gefühle über bestehende Bindungen reflektieren: Erfahrungen, die teilweise bis in ihre Jugendzeit zurückreichen und, wie sie sagt, ihr Leben prägten.
Griffige Textzeilen
Das kommt jedoch nicht ungefiltert als Biografie beim Hörer an. Viel eher vermitteln diese Szenarien Mindsets, (Ver-)Stimmungen: Emotionale Ausgebranntheit, Orientierungslosigkeit, den omnipräsenten Exhibitionismus und Voyeurismus im Internet, aber auch - wieder lässt Lana Del Rey grüßen - wahrhaft heißes Glück in gefährlichen Liebschaften: "Back in hell at least Im comfortable / Need your body when my fires cold", heißt es im besten Song des Albums, der auf einem irgendwie verschleppt anmutenden Beat vorwärtstaumelnden Ballade "Devil I Know". Das hier zutagetretende Talent für griffige Textzeilen offenbart Waterhouse noch mehrere Male im Lauf der LP: "Nobody ever breaks up / We just break down", heißt es etwa in "Melrose Meltdown", einem weiteren Höhepunkt der Platte, der eine toxische Beziehung reflektiert, in den Worten der Künstlerin aber auch eine Ode an L.A. (wo sie einige Jahre gelebt hat) ist.
Auch nicht sehr gesund klingt, was aus einem Song namens "Put Me Through It" herauszulesen ist: "You spun me round in circles / Til I tripped and fell / I admit I got addicted, now Im sick as hell." Wenn am Ende im beschaulichen ,"Blessed" so etwas Ähnliches wie eine Heile Welt aus Kindheitsperspektive beschworen wird, stellt sich fast Erleichterung ein.