Noch im Jahr 1966 musste sich Bob Dylan für seine Abkehr vom traditionellen Folksong zugunsten der elektrischen Gitarre als "Judas" bezeichnen lassen, bereits ein, zwei Jahre davor war der Brückenschlag zwischen beiden Welten für die kalifornische Band The Byrds ganz normal.
Die in Los Angeles ursprünglich als Trio gegründete Formation um Jim McGuinn, Gene Clark und David Crosby mag Bob Dylan mit dieser Genreverschränkung mitbeeinflusst haben und begann ihre Karriere wiederum mit einem Cover des Meisters. Mit der im April 1965 veröffentlichten Debütsingle "Mr. Tambourine Man" war nicht nur der Grundstein für eine Weltkarriere als eine der zentralen Bands der 1960er Jahre gelegt. Auch sorgten die Byrds für den Erfolgszug des Folkrock, dessen Lebensgefühl mit nassen Haaren im Wind und Joint zwischen den Lippen den Zeitgeist traf und schließlich auch Dennis Hopper für seinen Film "Easy Rider" von 1969 inspirierte.
Ein bewaffneter Pazifist
So offen die Byrds für musikalische Weiterentwicklung waren und bald begannen, psychedelische Gefilde zu erobern – nachzuhören etwa auf ihrem dritten Album, dem 1966 erschienenen "Fifth Dimension" –, so ambivalent erwies sich ihr streitbarer Rhythmusgitarrist David Crosby in der Zusammenarbeit. Der politische Kopf, Vietnamkriegsgegner und bewaffnete Pazifist stimmte in den Chor seiner Bandkollegen zwar mit genreprägendem Harmoniegesang ein. Intern sorgte der einst von diversen Schulen verwiesene Heißläufer, verstärkt durch seine sich Bahn brechende Suchtkarriere mit Spezialgebiet ganz hartes Zeug, aber zunehmend für Verstimmung.
Als "rebel without a cause" überwarf sich der am 14. August 1941 als Sohn des Oscar-prämierten US-Kameramannes Floyd Crosby und einer Verkäuferin geborene Songwriter, Sänger und Gitarrist zeit seiner Karriere mit so vielen Arbeitspartnern, dass er sich am Ende ziemlich allein und isoliert wiederfand. Ein Umstand, den nicht zuletzt A. J. Eatons im Jahr 2019 erschienener Dokumentarfilm "David Crosby: Remember My Name" auf Basis eines Interviews mit dem US-Musiker thematisierte.
Ein Tweet für Greta
Nach insgesamt fünf Alben und seinem Aus bei den Byrds schrieb Crosby gemeinsam mit Stephen Stills von Buffalo Springfield und Graham Nash von The Hollies in der Supergroup Crosby, Stills & Nash, später erweitert um David Crosbys Lebensfeind Neil Young, gegen den der Mann mit dem Walrossbart bis zuletzt wetterte, Musikgeschichte – Meilensteine wie ihr erst zweites Konzert im Rahmen des Woodstock-Festivals im Jahr 1969 oder das 1970 veröffentlichte gemeinsame Album "Déjà Vu" inklusive.
Crosbys Solokarriere, die bis herauf zum im Jahr 2021 erschienenen Album "For Free" andauern und insgesamt acht Longplayer zeitigen sollte, startete 1971 mit "If I Could Only Remember My Name" und Schützenhilfe durch etwa Joni Mitchell und die Mitglieder von Bands wie Jefferson Airplane, Santana oder Grateful Dead zwar ambitioniert. Friedvoll gleitende und dem Morgentau geschuldete Stücke wie "Orleans" können ihren Einfluss auf nachnachfolgende Folkrockbands wie etwa die Fleet Foxes retrospektiv nicht verhehlen. Gerade in den 80er Jahren sorgte der begnadete Segler aber eher mit Drogen- und Waffenvergehen sowie mit einem Verkehrsunfall samt Fahrerflucht und einer neunmonatigen Inhaftierung in Texas für Schlagzeilen. Das alles führte letztlich zu einem: 1994 überlebte David Crosby nur aufgrund einer Lebertransplantation, die ihm Phil Collins finanzierte, für dessen letzte US-Nummereins "Another Day In Paradise" er sich im Jahr 1989 als Backgroundsänger verdingte.
Nach langer Veröffentlichungspause kehrte David Crosby mit dem Soloalbum "Croz" erst im Jahr 2014 ins Geschäft zurück. 2021 wiederum verabschiedete er sich mit dem Song "I Wont Stay For Long" von seinem Publikum, für Live-Auftritte fühlte er sich damals bereits zu schwach.
Nun ist David Crosby nach langer Krankheit im Alter von 81 Jahren verstorben. Sein vorletzter Tweet noch am Todestag galt einer anderen Rebellin: "She is brave . . . nothing less", kommentierte der Musiker die Festnahme von Greta Thunberg.