Ein verbal versierter Songschreiber wie Robert Forster ist nicht so schnell um Worte verlegen. Als bei seiner Frau Karin Bäumler Eierstockkrebs diagnostiziert und eine Chemotherapie notwendig wurde, ist es ihm aber doch passiert. Denn es war klar, dass ein Song mit "angemessener" Aufarbeitung des Dramas hundert(e) Zeilen erfordern würde.
Stattdessen suchte und fand Forster sein Heil im Minimalismus und ganzen sechs Wörtern: "Shes a fighter / fighting for good." Getrieben von unruhigen akustischen Rhythmusgitarren, aufwühlender Leadgitarre und irgendwie fast neckischen Xylofon-Ornamenten wird das Text-Rudiment zur mantraartigen Beschwörung und das Stück zur hypnotischen Hymne.
Lebensliebe
Gespielt wird der Song, der Robert Forsters neues Album "The Candle And The Flame" eröffnet, von der ganzen Familie: Forster selbst singt und spielt akustische Rhythmusgitarre, Bäumler hat Hand an das Xylofon angelegt; Tochter Loretta bedient die elektrische Rhythmusgitarre, Sohn Louis spielt Bass, Gitarren und steuert perkussive Effekte bei. Das Video zeigt die vier im Kreis postiert. Nach Auskunft Forsters befindet sich seine Frau nach überstandener Chemotherapie auf einem guten Weg: "Sie hat neue Medikamente, ist wieder stärker geworden, und es geht ihr zunehmend besser."
Um Karin Bäumler geht es noch einige Male auf dem achten Solo-album des Australiers, der mit seinem kongenialen Songwriter-Kollegen Grant McLennan bis zu dessen frühen Tod im Mai 2006 die legendären Go-Betweens angeführt hat. Genauer gesagt: "The Candle And The Flame" ist die Geschichte der Lebensliebe zwischen Robert Forster und der bayerischen Musikerin Karin Bäumler. Von den ersten Rendezvous in Heidelberg, wo sie sich ab 1987 regelmäßig trafen, wenn die Go-Betweens durch Deutschland tourten, bis zur Erfahrung von über 30 Jahren Zusammenleben. "I see her through the ages / Shes a book of a thousand pages / Her beauty has not withered / From her entrance in Chapter One / Im in a story with her, I know I cant live without her", resümiert Forster in "Tender Years".

Entgegen dem Anschein wurde außer "Shes A Fighter" keiner der Songs nach Bäumlers Diagnose geschrieben. Nicht die einzige falsche Fährte, die die LP auslegt: So stimmig in sich geschlossen, lässt sie auch glauben, sie sei von langer Hand geplant gewesen. Es bestand indes nicht einmal die Absicht, eine Platte zu veröffentlichen. "Wir haben einige dieser Songs einfach zur Entspannung zu Hause gespielt, während Karin ihre Chemotherapie machte", erklärt Forster im Zoom-Interview. "Als bei ihr dann eine Operation anstand, beschlossen wir, ins Studio zu gehen und die Songs zur Dokumentation nur für uns selbst einzuspielen. Nach der Operation entschieden wir uns, eine Platte zu machen - live, spontan, unter uns. Es war Karins Wunsch, das zu tun."
Für die Familie hatte die Arbeit am Album, bei der sie Freunde wie die ehemalige Go-Betweens-Bassistin Adele Pickvance unterstützten, auch den therapeutischen Effekt, ein anderes Thema als einzig die Krankheit zu haben. Der Grundton der daraus resultierenden Platte ist naturgemäß eher getragen, verliert sich aber nicht in Beschaulichkeit. Das spritzige "Always" hätte zum Beispiel gut auf eine Go-Betweens-LP wie "16 Lovers Lane" gepasst.
Auf Deutsch
Annähernd 15 Jahre, circa von 1990 an, haben Bäumler und Forster in Deutschland (meist Regensburg) gelebt. Liebevolle Erinnerungen - vielleicht der Grund, dass Forster an diesem Punkt des Gesprächs umstandslos ins Deutsche wechselt - reflektieren diese Zeit: "The Roads" etwa erzählt empathisch von den Landstraßen von Bäumlers ehemaliger Homebase Geiselhöring nach München. "Es war immer Karin am Steuer, ich saß im Beifahrersitz und sah aus dem Fenster. Ich kenne jede Ecke in diesen Dörfern, durch die wir gefahren sind", erinnert sich Forster.
Was hat ihm in Deutschland gefallen, was weniger? "Ich mag die Leute", sagt Forster, der heute mit Bäumler in Brisbane lebt, aber immer noch öfters und gern hierherkommt. "Ich habe so viele gute Freunde aus Deutschland, sie sind unglaublich loyal. Was mir weniger gefallen hat, ist die Bürokratie: Für alles brauchst du einen Pass oder einen Schein - das ist in Australien einfacher. Und die Winter sind um mindestens zwei Monate zu lang."