Der Nordwesten der USA, gemeint ist in etwa der Bereich zwischen Portland und Seattle, ist popmusikalisch eine der bestkartografierten Regionen dieses Planeten. Trotzdem kommt auf all die Hendrixe, Nirvanas, Pearl Jams, Soundgardens, Decemberists oder Shins eine erstaunliche Anzahl an "Unknown Legends" - Große, die selbst in (vermeintlichen) Insiderkreisen nicht die ihnen gebührende Anerkennung gefunden haben.
Die Wipers um Greg Sage etwa, die vorexerzierten, dass sich Punk, Intelligenz und avancierte Spielkultur nicht ausschließen müssen. Oder Beat Happening, Meister des Weniger-geht-immer-noch-Minimalismus. Und auf gewisse Weise kann man auch das Duo Quasi aus Portland, das ebenfalls kluge, aufregende, ausgefallene Musik macht, dazuzählen. In diesem Fall dürften die Akteure individuell eher einen Namen haben als das Bandprojekt.
In fünf Tagen eingespielt
Schlagzeugerin Janet Weiss kennt man am besten durch ihre Mitgliedschaft beim legendären Frauen-Trio Sleater-Kinney und die ebenfalls rein feminine "Supergroup" Wild Flag. Zeitgenossen, die bei Werken "namhafter Künstler" auch den Nebendarstellern Aufmerksamkeit gönnen, werden sich ihrer vielleicht auch wegen ihrer Beiträge zu Platten von den Shins, den Go-Betweens oder Bright Eyes erinnern. Bei Stephen Malkmus & The Jicks war Weiss Stammmitglied.
Ihr musikalischer und für ein paar Jahre auch ehelicher Partner Sam Coomes, der bei Quasi singt, die Tasten drückt und Gitarre spielt, hat den großen Elliott Smith sowohl in dessen Band Heatmiser wie auch als Solisten begleitet. Regelmäßig hat er auch die beliebte Indie-Rock-Band Built To Spill unterstützt, auf deren LP "Untethered Moon" von 2015 ist er sogar Co-Produzent. Wie Weiss hat er auf dem Go-Betweens-Comeback-Album "The Friends Of Rachel Worth" mitgespielt und naheliegenderweise ist er auch Sleater-Kinney zur Hand gegangen.
Noch 425 Tage von der Vollendung seines 60. Lebensjahrs entfernt, ist Coomes in der Indie-Rock-Szene der frühen 80er Jahre groß geworden, hat mit der Band The Donner Party erste bescheidene Aufmerksamkeit erlangt und formierte 1990 mit Janet Weiss Motorgoat, aus denen 1993 Quasi hervorgingen. Seitdem waren die zwei regelmäßig auf Tour, jetzt liegt ihr zehnter Longplayer vor.
Zwar erwogen Weiss und Coomes nach ihrem bisher letzten Album, "Mole City" (2013), den Deckel über Quasi zu schließen. Dann führten ihnen ein Verkehrsunfall, bei dem Weiss schwer verletzt wurde, und Corona vor, dass es Zukunft als berechenbare Wesenheit nicht gibt. Mit der Pandemie wurde in Frage gestellt, ob und wann es je wieder Konzerte und Tourneen geben würde. Das brachte die beiden auf die Idee, einfach so zu tun als seien sie auf Tour, und jeden Nachmittag in ihrem Proberaum zusammenzuspielen. Dabei entstanden neue Songs, die dann in nur fünf Tagen unter Regie von Produzent John Goodmanson aufgenommen wurden.

Zuerst ruft das neue Album in Erinnerung, dass sich Quasi nie abgeschliffen haben, wie das bei Bands mit so langer Dienstzeit üblicherweise fast zwangsläufig passiert. Die Determinanten, die ihren Sound definiert haben, sind nicht nur noch da, sondern auf "Breaking The Balls Of History" stärker denn je ausgeprägt: Weiss zwischen zackigem Marsch-Rhythmus und Galopp polterndes Getrommel; Coomes hämmerndes, lärmiges, nicht wirklich dilettantisches, aber in einem guten Sinn unkultiviertes Orgel- und Pianospiel, der exaltierte, mitreißend-autoritative Gesang.
Dankenswerterweise versucht die Platte nicht, "Hoffnung in diesen schwierigen Zeiten" zu vermitteln, sondern kommentiert geifernd und sarkastisch die Absurdität von kontemporären Phänomenen wie Impfgegnern, TikTok-Stars oder Klimawandelleugnern. Ein (höhnisches) Lachen sei die einzig angemessene Reaktion darauf, sagt gleich der Opener "Last Long Laugh".
Ein Meisterstück ist der Titelsong, in dem Coomes mit berückender stimmlicher Ähnlichkeit zu Hamilton Leithauser ein Minimum von Worten - "Id rather be breaking the balls of history" lautet der ganze Text - zu einem explosiven Manifest der Störrigkeit aufdonnert.