Bei Betrachtung des Covers fällt es schwer, nicht an ein gewisses Album von Bob Dylan aus dem Jahr 1970 zu denken. Wie der Meister selbst hat jetzt auch Sophie Lindinger ein Selbstporträt ausgewählt, um die Vorderseite eines Longplayers optisch zu inszenieren.
Anders als His Bobness hat sich die aus Eferding gebürtige Wahlwienerin aber nicht für den Titel "Self Portrait" entschieden, sondern das Album gleich nach sich selbst benannt (und im Eigenverlag auch selbst veröffentlicht). Wo ganz viel Sophie Lindinger drin ist, sollte also auch Sophie Lindinger draufstehen.
Trübsal blasen

Albumcover.
Die österreichische Musikerin wurde ursprünglich an der Seite von Marco Kleebauer als die weibliche Hälfte von Leyya bekannt. Das stilistisch breit aufgestellte, aber grundsätzlich elektronisch grundierte Duo hat mit "Spanish Disco" (2015) und "Sauna" (2018) zwei entschieden international ausgerichtete Alben ohne auch nur einen Hauch von Lokalkolorit vorgelegt und es damit zu zahlreichen Auftritten im Ausland und etwa auch einem Slot auf dem "Primavera Sound"-Festival in Barcelona geschafft.
Im Jahr 2021 schließlich überraschten Leyya nicht nur mit ihrer EP "Longest Day Of My Life", auf der Sophie Lindinger ihre erstmals auch in Interviews öffentlich thematisierten Depressionen verarbeitete, sondern auch mit der Ankündigung, in Zukunft nicht mehr live aufzutreten. Dass sich die Band stattdessen lieber im Studio beschäftigen wollte, konnte umgehend überprüft werden. Schließlich gilt Marco Kleebauer nicht nur in seiner Funktion als Studiobetreiber im 15. Wiener Gemeindebezirk und umtriebiger Produzent hinter Acts wie Bilderbuch, Oehl, Naked Cameo oder Faber als rastloser Tausendsassa, sondern auch als Soloact oder Teil von Projekten wie aktuell der Trio-Formation Sharktank gemeinsam mit Michael "Mile" Lechner und Katrin Paucz.
Sophie Lindinger wiederum gründete die "Supergroup" My Ugly Clementine und produzierte mit "What Else Can Break" etwa auch das erste Soloalbum ihrer nunmehrigen Bandkollegin Mira Lu Kovacs. Nachdem diese wiederum zuletzt gemeinsam mit Clemens Wenger das programmatisch betitelte Coveralbum "Sad Songs To Cry To" vorgelegt hat, geht jetzt erstmals auch Sophie Lindinger solo und legt mit den zehn dabei abgefallenen reduziert-intimen Songs ihrerseits Lieder vor, zu denen es sich mitunter gut Trübsal blasen lässt.
"How come I still wake up / months after you left?", und: "These are the days / to teach me / who Ill be" - wie die mitunter gut im Hall versteckten oder auch aufgrund des wahlweise noch etwas out-of-bed-wuschi oder erdrückt-desperat angelegten Flüster- und Hauchgesangs Lindingers mitunter nicht so gut verständlichen Songtexte bereits nahelegen, wird mit diesen Liedern eine Trennung verdaut, nach der es dann an die Selbstfindung ging. Wer ist man allein, wenn man davor immer zu zweit war? Wir hören die Standortbestimmung einer Frau als Selbstporträt mit Gitarre, zu der sich neben Lindingers bettschwerem Gesang nur noch Bass und Schlagzeug gesellen.
Frühstück und Sperrstunde
Mit dem von ihren Erfahrungen mit Antidepressiva geprägten "Happy Pills" beweist Sophie Lindinger gleich zu Beginn, wie man einen großen kleinen Song unter minimalistischen Vorzeichen schreibt und ihn trotzdem mit großer Wirkungsmacht inszeniert. Hier und wie auch im Anschluss mit "Say My Name" oder dem als Salzsee voller Tränen angerichteten "Salt" mit seiner unterschwellig brodelnden und gelegentlich aufbrausenden Gitarre sind es nicht zuletzt die gefährlichen Ecken und Kanten im Kippbereich eines in Richtung Shoegazing getriebenen Dreampop, die für zusätzliche Hörlust sorgen - und die man sich bei einem Song wie "How To Love Somebody", der irgendwo im Bereich zwischen schön und ganz schön langweilig ankert, wieder wünschen würde.
Dass sich Sophie Lindingers verschlafener Vortragsstil hervorragend für Sperrstundensongs eignet, wird diesmal mit "I Dont Wanna Meet Her" erklärt, die Singleauskopplung "Coffee" mit seinem Leyya-tauglichen Funky Drummer wiederum ist jetzt ihr Song für die Morgenstunde, der nicht zuletzt im Frühstücksradio von FM4 erfolgreich rotieren sollte. Live in Wien am 11. Februar im Plateau sowie am 5. April in der Roten Bar im Volkstheater.