Eigentlich schien er anfangs nicht mehr als der knuddelige Frontmann eines fraglos begabten, aber eher vorsichtig zu goutierenden Quartetts. Denn dass Blur in den frühen 90ern nicht nur Teenies begeisterten, sondern mit ihrer musikalisch wie inhaltlich forcierten Britishness auch den damals in englischen Musikgazetten ausgerufenen Hype um den sogenannten Britpop bedienten, mochte schon etwas Argwohn erwecken.

Ebenso, dass sie sich auf einen kindischen Kleinkrieg mit ihren Konkurrenten Oasis einließen. In der Folge erwies sich, dass Blur wesentlich mehr draufhatten als Geschichten über Spinner in brüchiger britannischer Idylle und sinnlose Band-Battles. Aber nichts deutete noch darauf hin, welch Überschuss an kreativer Energie in ihrem Sänger und Haupt-Songschreiber zur Entfaltung drängte.

Kühne Cocktails

Mit Gorillaz veränderte sich für Albarn alles: Das anfangs vielerorts fast wie ein Gag rezipierte, weil durch Cartoon-Figuren repräsentierte Projekt wurde ein Sensationserfolg, in dessen Folge Albarn eine rastlose Tour de Force durch verschiedene musikalische Unternehmungen antrat. Dem über sieben Millionen Mal verkauften unbetitelten Gorillaz-Debüt von 2001 folgte 2003 mit "Think Tank" das deutlich beste Blur-Album, danach animierter, Dub-infiltrierter Art-Pop mit The Good, The Bad & The Queen, eine Oper und zwei weitere schöne Platten unter eigenem Namen sowie zahlreiche Kooperationen, insbesondere mit afrikanischen Musikern. Dazwischen gab und gibt es immer wieder Alben von Gorillaz - mit "Cracker Island" sind es nunmehr deren acht.

Die Idee zu Gorillaz entsprang einer Frustration: Als Albarn und der Cartoonist Jamie Hewlett, Zeichner und Co-Autor der Comic-Figur Tank Girl, MTV schauten, fanden sie es so substanzlos, dass sie beschlossen, von Hewlett kreierte Kunstfiguren ins Rennen zu schicken. Das Musikalische besorgte Albarn mit Gastmusikern, wobei mit großen Namen nicht gegeizt wurde: Robert Smith (The Cure), Peter Hook (New Order), Mark E. Smith (The Fall), Lou Reed, Elton John, De La Soul, Little Simz und viele andere haben sich bei Gorillaz die Ehre gegeben.

Mit ihnen mixte Albarn kühne Cocktails aus Pop, Electronica, Hip-Hop, Soul, Ethno, Dub und allem Möglichen und Unmöglichen, während Hewlett dazu fantasievolle grafische Kreationen lieferte. Die bisher letzte Gorillaz-LP, "Song Machine, Season One - Strange Timez", versammelte im Jahr 2020 Singles und begleitende Videos aus einer Webserie, wobei sich jeder einzelne Song mit einem oder auch mehreren Gaststars schmückte.

Verglichen damit ist der Prominenten-Abtrieb auf "Cracker Island" vergleichsweise moderat. Beck, der bereits auf "Song Machine" dabei war, ist wieder mit von der Partie, ebenso sind das hier Bad Bunny, Stevie Nicks, Kevin Parker von Tame Impala oder der Sänger Adeleye Omotayo, der auch den Text zum potentiellen Hit "Silent Running" beigetragen hat.

Vor die Hunde

Im Kontext des bisherigen Werks der Band gesehen, schlägt Cracker Island" eine neue Wegrichtung ein. Gorillaz-Platten waren alles Mögliche - provokant vielleicht, mutig gewiss, aufregend, herausfordernd. Was sie bestimmt nie waren, ist eine sprichwörtliche runde Sache. Just das aber ist erstaunlicherweise das achte Album: Albarn und seine Co-Produzenten Greg Kurstin und Remi Kabaka Jr. haben es geschafft, den Gorillaz-charakteristischen Eklektizismus so zu kanalisieren, dass die Platte eine Einheit bildet, die sich um einen fließenden, durch Funk, Soul, Reggae-Anklänge und vereinzelte Extravaganzen wie ein burleskes Keyboard-Motiv oder subtile Percussion zugespitzten Synthie-Pop-Sound zentriert.

Auch die Texte folgen einer kohärenten Thematik: der Haltlosigkeit von Beziehungen, der Unzuverlässigkeit von Wahrnehmungen überhaupt - erodiert vom unablässigen Mahlstrom der sozialen Medien und manipulativen Technologien. Heraus kommt als Ganzes - um den Preis, dass ein wenig an alter Verwegenheit auf der Strecke geblieben ist - eine Platte, die zeigt, wie schön die Welt vor die Hunde gehen kann.