Die historische Chance, als seine eigene Vorband aufzutreten, hat Robbie Williams fürs Erste einmal verspielt. Beim Auftakt seines zweitägigen Gastspiels in der Wiener Stadthalle vor 15.000 begeisterten Besuchern wurden die Kollegen seines neuen Nebenprojekts Lufthaus am Donnerstag dann doch lieber als Duo auf die Bühne geschickt, um dem eigentlichen Star des Abends die Möglichkeit zu geben, sich im Backstagebereich noch ein wenig zu schonen.
Immerhin sieht die aktuelle Konzertreise ein Greatest-Hits-Programm vor, das Robbie Williams nicht nur outfittechnisch wieder einmal etwas, nun ja, eigenwillig anlegt. Der Mann kommt tatsächlich im Fußballtrikot in die Arbeit, das er mit einem Halsschmuck kombiniert, den er offenbar der altägyptischen Königin Nofretete aus dem Felsengrab gestohlen hat. Und auch zum Abschluss knapp zwei Stunden später im Grenzbereich zwischen Kampfsamurai und Nil-Gottheit im halb als Kimono geschneiderten Udo-Jürgens-Gedenkbademantel (allerdings in schwarz!) erweist sich: Es ist nach wie vor verdammt speziell, Robbie Williams zu sein.
"Robbie fucking Williams!"
Der Popstar befindet sich derzeit in einer spannenden Phase. Mit 49 Jahren wäre er bereits zu alt für die gute alte ÖBB-Frühpension und blickt stattdessen einem Lebensabschnitt entgegen, in dem man sich als gewöhnlicher Arbeitnehmer die Frage stellt, ob man die Dinge auch weiterhin nach Vorschrift am Laufen hält - oder beruflich doch noch einmal etwas Neues probieren sollte. Diese Gedanken hat man sich aber zugegeben ohne den Trikotmann mit dem Geschmeide gemacht. Der beabsichtigt der Anmoderation "This is my band! This is my arse! And I am Robbie fucking Williams!!" zufolge auch weiterhin, im Hauptberuf ganz Robbie Williams zu sein. Nachdem das Konzert mit dem aus dem Animationsprogramm eines durchschnittlichen All-inclusive-Clubs inspirierten "Hey Wow Yeah Yeah" als Aufwärmübung auf breiten Beinen eröffnet wurde, bleiben daran spätestens bei Song Nummer zwei keine Zweifel: "Let Me Entertain You" war schon immer als die Ansage zu verstehen, als die der Titel ohne Umschweife daherkommt.
Mit Musikunterbrechung
Das Wort Entertainment aber führt uns schon zum Knackpunkt des Abends. Immerhin ist in der Übersetzung als "berufsmäßig gebotene leichte Unterhaltung" zugunsten der kommunikativen Schlagseite überhaupt nicht von Musik die Rede. Folgerichtig legt Robbie Williams die Auftritte seiner 44 Termine umfassenden "XXV Tour" mit der im Vorjahr zum 25. Karrierejubiläum als Solokünstler veröffentlichten Werkschau und orchestralen Neudeutung "XXV" im Gepäck dann auch als Revue-Shows und dabei, wie man heute so blöd sagt, äußerst "talkative" an.

Es ist nach wie vor verdammt speziell, Robbie Williams zu sein. Und nach wie vor sorgt der britische Popstar für Begeisterung und volle Hallen.
- © apa / Eva ManhartRobbie fucking Williams legt die Latte dabei zwar etwa mit einem gespielten Peniswitz (hoho!) eher tief. Allerdings wird der Auftritt auch noch abwechselnd zur öffentlichen Beichte und über den offenen Entzug zur Gesprächstherapie mit Musikunterbrechung - borderlinemäßig angerichtet zwischen Comedy-Punchlines und Gefühlsduselei sowie auch zwischen einem: Einerseits vermittelt Menschenfreund Robbie Williams derzeit den Fürsorgecharakter eines eigens gebuchten Awarenessteams, anderseits ist unserem Plapperkönig die politische Nichtganzsokorrektheit aber selbstverständlich nach wie vor nicht ganz auszutreiben.
Im YouTube-Teil des Konzerts, wie man ihn sonst weniger aus der Wiener Stadthalle und eher von Samstagabenden daheim im Wohnzimmer kennt, wird Robbie Williams vor belastendem Beweismaterial von seinerzeit also auch noch über den Gay-Porn-Charakter alter Take-That-Videos referieren und mit einem Standbild des Nämlichen zu Ehren seines damals noch um 30 Jahre jüngeren Hinterns die US-Hymne anstimmen. Verrückt. Wer wissen will, warum Robbie Williams Elvis zwar daheim in England als Act mit den meisten Nummer-eins-Alben der Geschichte abgelöst hat, während in den USA nach wie vor kein Hahn nach ihm kräht: Leute, hier wäre noch ein weiterer Grund dafür!
Moderne (Anti-)Heldengeschichte
Für seine Band und die sechsköpfige Tanzabordnung hat Robbie Williams in der Zwischenzeit übrigens auch eine Idee: Sie darf gegen gutes Geld Däumchendrehen und sich sehr gerne auch mit dem Sinn des Lebens befassen. Etwas nachdenklich wird man ja doch, wenn der Chef seine moderne (Anti-)Heldengeschichte vom Aufstieg und Fall mit Take That, einer als temporäre Wiederbelebung gefeierten Kokain-Party mit den Gallagher-Brüdern am Glastonbury-Festival in den späten 90er Jahren, vom Abstieg in die Drogensucht und seiner finalen Errettung fertig erzählt. Dass für das Happy End natürlich Frau und Kinder verantwortlich waren, hört man im Verlauf des Abends dafür gleich mehrmals.
Ach ja, Musik gab es irgendwann auch wieder: "Strong", "Feel", "Kids" und "Rock DJ" im regulären Teil, "No Regrets", "Shes The One" und "Angels" als Zugaben - samt Massensingalong, Konfettibombe und einem Sternenhimmel voller Smartphones. Respekt! Robbie Williams steht das alles ohne Drogen und seit mittlerweile 23 Jahren ja auch ohne Alkohol durch.