Selbst hartgesottene Fans können sich nicht an ein Konzert erinnern, bei dem Bob Dylan gut gelaunt mit dem Publikum scherzte. Dass es derlei gegeben hat, belegt der vorliegende Mitschnitt eines Konzerts aus dem Jahr 1964, einem Heimspiel zu Halloween vor seinem New Yorker Stammpublikum. Dem konnte er problemlos den "Talkin' John Birch Paranoid Blues" zumuten, einen sarkastischen Kommentar zur verbreiteten Angst vor der kommunistischen Weltverschwörung, den die Ed-Sullivan-Show nicht ausstrahlen wollte.

Heimspiel zu Halloween: Bob Dylan live 1964. - © Sony Music
Heimspiel zu Halloween: Bob Dylan live 1964. - © Sony Music

Trotz der Größe der Halle vermittelt die CD den Eindruck eines Club-Mitschnitts, bei dem der Auftretende sich schon mal beim Publikum, das auch noch gar nicht auf Tonträger veröffentlichte Lieder an den Eingangsakkorden erkennt, nach den ersten Zeilen eines Songs erkundigt.

Die ausgeglichene Zusammenstellung von Liedern mit klarer politischer Aussage und versponnenen poetischen Songs stellte anscheinend alle zufrieden, auch wenn Dylan schon damals die Bedeutung seiner Texte immer wieder mit skurrilen Wendungen in Frage stellte: "This is about the people they say they've never seen you. I'm sure everybody has met somebody that swears they've never seen them. Hi! I never saw him!" Dementsprechend folgen auf den dramatischen Monolog "It's Alright, Ma" das nette Liedchen "I Don't Believe You" und der symbolüberladene "Mr. Tambourine Man".

Selbst auf Missverständnisse reagierte Dylan vor 40 Jahren humorvoll. "Yes, it's a very funny song", lautet die Replik auf ein paar Lacher nach der Ansage des Titels. Der darauf folgende apokalyptische Text erlaubt ohnehin bloß ein sardonisches Grinsen: "Disillusioned words like bullets bark / As human gods aim for their marks / Made everything from toy guns that sparks / To fleshcolored Christs that glow in the dark / It's easy to see without looking too far / That not much is really sacred."

Den größten Teil der Aufnahmen in der Philharmonic Hall bestreitet Dylan allein mit akustischer Gitarre und den unvermeidlichen Mundharmonikas. Auf der zweiten CD gibt es vier Duette mit Joan Baez, wobei die ersten beiden eher einer Live-Probe denn einer Aufführung gleichen. Wirklich überzeugen können nur "With God on Our Side" und "It Ain't Me", die zum Standardrepertoire der beiden gehörten.

In Summe zeigt das Konzert, dass es mit Dylans Fixierung auf die Tradition vorbei war. Das folgende Jahr brachte die Hinwendung zur Rockmusik und den berühmten Auftritt mit E-Gitarre beim Newport-Festival. Die Fotos im ausfühlichen Begleitheft zeigen Dylan dementsprechend sowohl mit einer Autoharp wie mit einem elektrischen Bass.

Einen Vergleich mit einem akustischen Konzert in den Neunzigern bietet übrigens die eben erschienene DVD "MTV Unplugged".
Bob Dylan: Live 1964. Concert At Philharmonic Hall - The Bootleg Series Vol. 6 (Columbia/Sony).