Bereits die Eckdaten dieses Albums verweisen auf das Solodebüt von Radiohead-Frontmann Thom Yorke aus dem Jahre 2006: Neben der auf neun Songs aufgeteilten Spielzeit von 45 Minuten, mit denen auch "The Eraser" daherkam, sticht vor allem der nun auserkorene Projektname ins Auge, unter dem "Amok" am Freitag erscheint. "Atoms for Peace", wie Dwight D. Eisenhower in den 1950er Jahren seine Rede zur weiteren Nutzbarkeit der Kerntechnologie betitelte, so hieß zuvor schon ein Song auf - richtig! - ebenjenem "The Eraser"-Album.
Projekt-Werdung
Nach dessen Veröffentlichung, mit der sich Thom Yorke von der Müdigkeit in Bezug auf seine Stammband freispielen wollte, stellte sich rasch die Frage nach der Live-Umsetzung des Materials. Dieses hätte zwar genauso gut vom Laptop oder mit zwei Plattenspielern und Yorke als traurigstem Alleinunterhalter der Welt präsentiert werden können, wie das schon demnächst in London, Berlin und New York auch passieren wird. Allerdings fand Yorke in seinem Haus- und Hofproduzenten Nigel Godrich, Beck-Schlagzeuger Joey Waronker, dem Perkussionisten Mauro Refosco sowie vor allem Michael Peter Balzary alias Flea von den Red Hot Chili Peppers am Bass einen Trupp an Erfüllungsgehilfen, mit dem er auch eingedenk nächtlich-illuminierter "Inspirations-Sessions" ungleich mehr Spaß haben konnte. Das Line-up funktionierte für Yorke scheinbar so prächtig, dass sein zweites Album ohne Radiohead nun also nicht mehr unter eigenem Namen erscheinen konnte.
Das ist insofern erstaunlich, als "Amok" nach nichts anderem klingt als eben nach einem Soloalbum Thom Yorkes - wobei auch keine Revolution in Bezug auf das Sounddesign von "The Eraser" losgetreten wird. Während Yorke seine Schmerzensgesänge mit gewohnter Kopfstimme in den Hallraum säuselt oder die Background-Chöre als geschichtete Vokal-Aufnahmen seiner selbst gespensternd himmelwärts fahren, darf sich vor allem Flea als genialer Dilettant von seinerzeit und heute in Sachen Musiktheorie, Jazztrompete und Komposition geschulter Akademiker nobel zurückhalten. Zweier kurz in Richtung Jam schielender Momente zum Trotz bleiben von seinem Bassspiel vor allem Loops übrig, die sich bisweilen noch dazu anhören, als zeichne der Laptop für sie verantwortlich.
Analog versus digital
Die Auflösung der klanglichen Grenzen, die zwischen analog wärmenden und digital unterkühlten Sounds verlaufen, wird dabei ebenso konsequent durchexerziert wie Yorkes Neigung, den Häcksler nun als tonangebendes "Instrument" zweckzuentfremden.
Entsprechend stottern und stocken die in scheinbarer Clicks-&-Cuts-Manier erbauten, zerschmetterten und von Neuem zusammengesetzten Beats als Grundgerüst jener Songarchitektur auch, die Radiohead seit ihrer Avantgarde-Werdung im Jahre 2000 immer wieder gebrauchen.
Während sich die Gitarren als spröde Überreste einer konventionelleren Zeitrechnung über elektronische Landschaftszüge schlängeln, die im Nebel der hier errichteten Atmosphären nicht selten verschwinden, gelingt ein Trick doch immer: die artifizielle Aura, die sich auch in der nötigen Melodiearmut veräußert, wird am Ende in der Zugänglichkeit aufgelöst. Vor allem Schlüsselsongs wie das zum Kopfnicken ladende "Default" oder das beseelte "Judge Jury And Executioner" bieten insofern ein willkommenes Gegengift, wenn die Texte wieder einmal um Verlust, Vergänglichkeit, Schizophrenie oder darum kreisen, wie es ist, auf den Henker zu warten.
Nach 45 Minuten ist damit kaum Neues gesagt - und der Hörer dennoch um den Finger gewickelt.