Sicher, das mit den Stooges ist ein bisschen eine Augenauswischerei. Auch wenn die "Protopunks" von 1969 vordergründig schon immer über Iggy Pop wahrgenommen wurden, den narrischen Sänger mit dem Dresscode "Oben ohne" vorne am Bühnenrand (oder unten im Graben liegend . . .), ist die Band seit dem Tod ihres Gitarristen Ron Asheton im Jahr 2009 doch nicht mehr komplett.

Iggy (M.) & The Stooges (hier James Williamson, l., und Scott Asheton) veröffentlichen ein neues Album - und gastieren am 9. August live in der Wiener Arena. - © Foto: Sophie Howarth
Iggy (M.) & The Stooges (hier James Williamson, l., und Scott Asheton) veröffentlichen ein neues Album - und gastieren am 9. August live in der Wiener Arena. - © Foto: Sophie Howarth

Nachdem The Stooges, die in ihrer Kernzeit bis 1973 drei für die Geschichtsschreibung des Rock ’n’ Roll mindestens maßgebliche Alben veröffentlicht hatten, mit den neuen Songs des Albums "The Weirdness" gerade erst im Jahr 2007 zu einem Comeback aufgebrochen waren, erschien eine weitere Fortsetzung der Bandgeschichte zunächst mehr als fraglich. Immerhin zeigte sich Iggy Pop vom Ableben seines Freundes tief betroffen.

Vermutlich war es dann aber das auf Jazz-Anklänge und französischen Chanson gepolte Spätwerk mit Alben wie "Préliminaires" (2009) und "Après" (2012), das Punk-Gevatter Pop nach einer Auszeit im derben Fach lechzen ließ. Für das jetzt unter dem Namen Iggy & The Stooges veröffentlichte neue Album, "Ready To Die", wurde neben dem 1970 an Bord geholten zweiten Gitarristen James Williamson auch Mike Watt wieder rekrutiert, der seit 2003 am Bass aushilft. Als letztes Gründungsmitglied neben Iggy Pop verbleibt mit Ashetons Bruder Scott der Schlagzeuger im Line-up.

Wenige Ideen

Nun stellt sich angesichts der zehn neuen und in knapp 35 Minuten abgespulten Songs natürlich eine entscheidende Frage. Sie lautet: Warum? Nach dem, vorsichtig formuliert, wenig zwingenden Material von "The Weirdness" und den darauf gehörten, auch für Iggy Pop sehr schlechten Texten ("England and France, these cultures are old / The cheese is stinky and the beer isn’t cold") könnte man sagen, dass eine Tour mit den alten Hadern wohl auch vollkommen reichen würde.

Die Frage nach der Würde des Unterfangens hingegen ist deshalb nicht angebracht, weil The Stooges seit jeher nach maximaler Würdelosigkeit streben. Mit Iggy Pop als nach einem zu ungesunden Tag sich auf der Bühne übergebenden Sänger, der zur besseren Illustration seiner explizit-derben und daher kaum illus-trationsbedürftigen Texte ins Mikrofon bellte, während er sich wahlweise mit Glas selbst verstümmelte oder auf ein heilendes Körperpeeling per Erdnussbutter setzte, war Punk als Bühnenhaltung auch schon definiert.

Neben dem grundsätzlichen Bekenntnis zu sehr schlechtem Geschmack und exakt gar keinen Manieren ging es musikalisch darum, es mit möglichst wenigen Ideen und Akkordwechseln sowie über das Hilfsmittel der Wiederholung doch noch auf ein ganzes Album zu bringen. Uff! Der Legende zufolge wurden weite Teile des von John Cale produzierten, selbstbetitelten Debüts erst in der Nacht vor Beginn der Studiosessions geschrieben.

Zur geradlinigen, knappen und gehörig scheppernden Ästhetik von programmatischen Punkbrettern wie "I Wanna Be Your Dog" gesellten sich Bläser-Einsprengsel und psychedelische Elemente ebenso wie kakofonische Störfeuer im Sinne des "L.A. Blues". Dazu stand inhaltlich Angriffslust gegen die Welt und alle "Motherfucker" da draußen auf dem Programm, wenn Iggy Pop nicht gerade über die Freuden der Körpermitte referierte (also bellte).

Zunehmende Drogeneskapaden und vor allem die schwere Heroinabhängigkeit des 1947 als James Newell Osterberg geborenen Sängers allerdings besiegelten das (vorläufige) Ende der Stooges - während deren Vorstand a. D. in eine von David Bowie beförderte Solokarriere startete, die ihm erstmals gutes Geld und somit auch die Zeit einbrachte, nach künstlerisch ergiebigen und körperlich erschöpfenden Substanz-Jahren in Berlin per Reha-Klinik clean zu werden. Der Rest der alles andere als eintönigen, dafür aber äußerst durchwachsenen Laufbahn von Iggy Pop ist gut dokumentierte Rock-Geschichte.

Die Gegenwart von Iggy & The Stooges hingegen kommt mit dem Sprenggürtel daher, den unser liebster Alt-Punk auf dem Cover von "Ready To Die" um die Hüfte trägt (siehe unten) - was in den USA nach den Attentaten von Boston womöglich Dynamit bedeutet. Dabei soll hier doch nur klargestellt werden, dass man auch heute noch grantig ist, ironisch, vielleicht auch kritisch oder einfach nur blöd. Wie es in einem Song namens "Gun" so schön heißt: "Everybody’s talkin’ loud, I can’t stand the fuckin’ sound / If I had a fuckin’ gun, I could shoot at everyone / Freaking out in the USA!" - wobei es textlich durchaus noch dämlicher wird, wie etwa "DD’s" in seiner Form als Loblied auf Riesenbrüste beweist, mit dem auch Russ Meyer seine Freude gehabt hätte.

Und auch das zwischen Unterbezahlung und Wut angesiedelte "Job" hat mit dicker Punk-Lippe ungeniert vor allem eines zu sagen: "I’m just a guy with a rockstar attitude / I got no belief and I got no gratitude / I don’t wanna talk to my coworkers / I think they’re a bunch of dumb cock-jerkers."