Tel Aviv. Die jüngste Kontroverse ist erst ein paar Wochen alt: Ungarn wird beim Eurovision Song Contest in Wien mit einem Antikriegslied antreten, dessen Text unter anderem die Opfer jüngsten Gaza-Krieges beklagt. Israels Botschafter in Ungarn hat dagegen Protest erhoben, offenbar mit Erfolg: Die ungarische Rundfunkbehörde will den Satz streichen.

Politik spielt regelmäßig eine Rolle, wenn Israel beim größten europäischen Gesangwettbewerb antritt. Legendär in der ESC-Geschichte sind die Zensurversuche des Jordanischen Staatsfernsehens JRTV 1978, als Israel erstmals den Wettbewerb gewann: Bei der Übertragung der Show zeigte der Sender anstelle des israelischen Beitrags ein Standbild mit Blumen, und als sich der Sieg des westlichen Nachbarn abzuzeichnen begann, brach JRTV die Übertragung ab und erklärte anschließend seinem Publikum das zweitplatzierte Belgien als Gewinner.

Für die größte politische Kontroverse im Landesinnern sorgte hingegen der bisher letzte Sieg Israels: Als die transsexuelle Sängerin Dana International 1998 mit dem Titel "Diva" gewann, protestierte die Ultraorthodoxie laut und bezeichneten den Beitrag als Sünde. Noch schärfer waren die Reaktionen, als im Folgejahr der Wettbewerb in Jerusalem gastierte und Dana in der Heiligen Stadt für die Eröffnungszeremonie Lieder mit religiösem Inhalt sang.

"In Israel ist alles politisch, auch ein zwanghaft unpolitisches Ereignis wie der Eurovision Song Contest", sagt Daniel Dunkelman. Der Politikwissenschafter ist Präsident des israelischen Eurovision-Fanclubs - und als 29-Jähriger ein Spätgeborener für die ganz großen ESC-Jahre Israels. In den Siebzigern und Achtzigern trug das Land, das 1973 erstmals antrat und seither zu den treusten Teilnehmern gehört, zweimal den Sieg davon und erreichte weitere Spitzenplatzierungen. "Diese Jahrzehnte werden gerne verklärt", sagt Dunkelman, "als die guten, stolzen Jahre, als Israels Gesellschaft noch solidarischer und weniger materialistisch gewesen sein soll." Der Wettbewerb, der damals noch "Grand Prix" hieß, war "eine patriotisch gefärbte Unterhaltungsveranstaltung, und das passte zu einem patriotischen Land, das nur darauf wartete, seine Kultur zu präsentieren."

Sieg immer aussichtsloser

In den letzten zwanzig Jahren, seit dem Sieg von Dana International, sei das Interesse jedoch gesunken. "Bis in die frühen Neunziger Jahre gab es in Israel nur einen Fernsehsender, und für Eurovision saß das ganze Land davor", sagt Dunkelman. Heute gibt es dutzende TV-Sender und das Internet. Den Song Contest schauen keine zehn Prozent mehr an."

Für das Land am Mittelmeer werde es immer aussichtsloser, auf einen vierten Sieg zu hoffen. "Israel hat in Europa nicht mehr viele Freunde", sagt Dunkelman, "wir sind isoliert. Während sich die Länder Skandinaviens oder auf dem Balkan gegenseitig die Punkte geben, haben wir niemanden." Auch das gehöre zur komplexen Beziehung Israels: "Verlieren wir, ist die Israel-Feindlichkeit daran schuld. So denkt hier die Mehrheit." Dunkelmans Begeisterung für den Wettbewerb bleibt jedoch ungebrochen. "Der Grundgedanke stimmt noch immer: Dutzende Länder kommen zusammen und singen ihre Lieder. Für einen Israeli ein melancholisches Szenario."