(k.w./irr) Schon für 2014 hatten sie einen gemeinsamen Auftritt geplant, mussten ihn aber kurzfristig absagen. Jetzt haben sie es endlich geschafft, noch dazu in der Staatsoper. Zwar ist die am Sonntag nur halb voll, das ungleiche Duo zeigt sich dennoch bestens gelaunt. Rufus Wainwright, der kunstsinnige Singer/Songwriter aus New York, und Angelika Kirchschlager, die wagemutige Salzburger Mezzosopranistin, busserln, lachen, scherzen im Auftrag des Jazz Fest Wien.

Leichtigkeit ist auch nötig für das Experiment: Eine Opernstimme an Popliedern werken zu hören, ist, sagen wir einmal, gewöhnungsbedürftig, und eine (zugegebenermaßen gut ausgebildete) Popstimme in Opernliedern nimmt auch mehr, als sie gibt. Genau das aber soll hier Programm sein.

Sommerlich-Sonderliches

Herausgekommen ist eine sommerlich-sonderliche Mischung aus Klassik, Jazz und Pop, bei der sich beide in allen Kategorien erproben. Manches gibt’s auch im Duett, das meiste aber geht als Soloauftritt über die Bühne, wobei Wainwright-Fans eher auf ihre Kosten kommen als Kirchschlager-Anhänger. Denn er darf eine ganze Reihe eigener Songs performen, während sie sich teils am Jazz versucht (und die Oper nicht ganz aus sich rauszwingen kann) und nur ein Schubertlied ("Gretchen am Spinnrade") und eines von Kurt Weill durchs Mikrofon singt.

In der zweiten Hälfte heißt es dann vermehrt: jedem das des anderen. Kirchschlager schmettert nun durchaus geschmeidig und seiner Dramatik gerecht werdend einige von Wainwrights Songs in die Ränge der Staatsoper, er wiederum bemüht sich sehr in Berlioz’ "Les nuits d’été". Dass er kein Opernsänger ist, ist auch ihm selber klar, er rettet sich mit Humor darüber hinweg. Dann gibt’s zur Freude des Publikums nochmals Wainwright pur mit einigen seiner größten Hits ("Cigarettes and Chocolate Milk", "I Don’t Know What It Is"), zu denen sich eine Discokugelbeleuchtung gesellt, und schließlich noch "Hallelujah" im Duett, in dem sich die Stimmen auch ganz ohne Mikrofon gut mischen. Dennoch: Am besten sind letztendlich die Nummern, in denen sich jeder in seinem gewohnten Element bewegt - was nicht unbedingt für das Projekt spricht.

Meisterin der Sollbruchstelle

Melody Gardot wiederum, schon tags zuvor in der Staatsoper zugange, zählt mit ihren 30 Jahren bereits zu den Eminenzen des Festivals. Ein seltener Fall: Bei dem singenden Shootingstar aus Übersee mit einem Faible für guten, alten Jazz scheinen sich künstlerische Reife und Popularität gegenseitig zu befeuern. Debütierte Gardot, erst nach einem schweren Unfall zum Songwriting gelangt, an der Staatsoper 2010 mit ihrem herzerfrischend schlichten Album "My One And Only Thrill", weist sie ihr neues Werk streckenweise als gereifte - und mithin auch auf großer Theaterbühne trittfeste - Tragödin aus: Musikalisch am kernigen Soul der 70er Jahre andockend, textlich bei den Sozialporträts eines Bruce Springsteen oder frühen Billy Joels, schwelgt "Currency Of Man" im Nachtschwarz der Verlierer. Säufer, Spieler und Metzen sind hier Ikonen. Dabei ist Gardot keine platte Moralfingerschwingerin, sondern (jedenfalls live) eine Meisterin der Sollbruchstelle. Auf der Bühne mit Sonnenbrille und Kopftuch camoufliert, gibt sie im Rachelied "Same To You" erst einmal die coole Furie, bevor sie allen einen guten Abend wünscht und dann just mit "Bad News", einem Song wie einem Katerkopfschmerz, nachsetzt. Gardot, das spiegelt sich auch in ihrer nervösen, zwischen Genuschel und Intensitätsschärfe flackernden Stimme, stöckelt auf rätselhaftem Boden. Wobei sie zwar musikalisch den Vorwurf des Recyclings, beizeiten auch des Banalen, erdulden muss. Live aber hat sie sich zu einer Kunstfigur des prallen Lebens entwickelt. Und wenn diese vermeintlich Unberührbare dann noch einen Besucher "Schatzimausi" nennt und ihre Band rund um die - an sich supersofte - "Morning Sun" rumoren darf, hat sich der letzte Kommerzverdacht erledigt: Standing Ovations.