"The Glowing Man" ist eine Momentaufnahme, die einen Abschied markiert. Ein letztes Mal hat Michael Gira die Herren Norman Westberg, Kristof Hahn, Phil Puleo, Christopher Pravdica, Thor Harris und Bill Rieflin für ein Album um sich versammelt. Die Swans wird es, so kündigte Gira an, in dieser Formation nach der kommenden Tour nicht mehr geben. Das neue Album bildet somit einen Abschluss für eine Dynamik, die 2010 mit "My Father Will Guide Me Up A Rope To The Sky" begann.

Wie sehr die Band in den darauf folgenden Jahren auf Improvisationen setzte, ließ sich an den Veröffentlichungen erhören, die im Rhythmus von zwei Jahren erschienen ("The Seer" 2012, "To Be Kind" 2014). Belege des kreativen Schaffensprozesses erbrachten die Live-Alben ("We Rose From Your Bed With The Sun In Our Head" 2012, "Not Here/Not Now" 2013), deren Verkauf die Finanzierung der Studioalben sicherstellen sollten. Im Vorjahr gab "The Gate", das neben Live- auch Demoversionen neuer Songs enthielt, einen Vorgeschmack auf das nun vorliegende "The Glowing Man".

Kasteiender Mönch

Die Entwicklung der Swans nahm während der letzten sechs Jahre immer epischere, monumentalere Züge an, die in auditive Exorzismen ausarteten. Auf dem neuen Album finden sich denn auch gleich drei Songs zwischen 20 und 30 Minuten Länge. Das titelgebende Stück basiert auf einem Zen-Koan, wobei ein Mönch sich donnernd zu kasteien scheint. In "Cloud Of Unknowing" treiben Zombies und Monster ihr Unwesen, die vom Cellospiel der Südkoreanerin Okkyung Lee unterstützt werden. "Frankie M." wiederum ist ein palliatives Klanggemälde, dessen eindringliches Mantra, hat es sich erst einmal aus einem wabernd-tönenden Dickicht herausgeschält, sich in die Gehörgänge schleicht, um dort zu verweilen.

Gewalt ist eines der Themen, die das Album durchziehen. "I beat him on his face, and I stab with all my strength. And I scream until he goes. I scream until he’s gone", singt Giras Ehefrau in "When Will I Return?". Den Hintergrund des Songs bildet ein Angriff auf Jennifer Gira, bei dem sie beinahe vergewaltigt worden wäre. Da mutet es fast wie böse Ironie an, als im Februar dieses Jahres Larkin Grimm Michael Gira öffentlich der Vergewaltigung bezichtigte.

Grimm hatte 2008 bei Giras Label Young God Records ihr Album "Parplar" fertiggestellt, als es zu dem Vorfall gekommen sein soll. Wenige Tage danach veröffentlichte Grimm ihrerseits den Song "I Don’t Believe", den sie Missbrauchsopfern widmete. "When Will I Return?" ist indes nicht als Reaktion auf die Anschuldigung zu verstehen, findet sich das Lied doch bereits auf "The Gate".

Im Verhältnis zu den Vorgängern wirkt "The Glowing Man" weniger exaltiert, meditativer - und an einigen Stellen vielleicht etwas selbstverliebt, wenn sich die Band zu sehr auf akustische Verdichtungen verlässt und weniger die organische Songentwicklung oder gar Melodieführung im Blick hat. Dabei konnte man sich heuer bei der Solo-Compilation "I Am Not This" noch einmal von Giras Songschreiberqualitäten überzeugen. Dieses Gespür für Melodien fehlt auf dem neuen Album nicht zur Gänze. Das zeigen etwa das vom Blues inspirierte "People Like Us" oder "Finally, Peace", mit dem das Album nach knapp zwei Stunden fast schunkelnd ausklingt.

Nostalgisches Innehalten, Trennungen und Wiedergänger sind denn auch andere thematische Setzungen. So stammt etwa der Text von "The World Looks Red/The World Looks Black", der schon von Sonic Youth für deren "Confusion Is Sex"-Album verwendet wurde, bereits aus dem Jahr 1982. Für Gira schließt sich somit ein Zyklus, wurden die Swans doch im selben Jahr gegründet.

Neue Projekte

Swans-Alben sind Manifestationen des augenblicklichen Bandzustands. Zwar will Gira weiterhin als Schwan unter Schwänen Projekte realisieren, doch mit welcher Besetzung, ist ungewiss. Deswegen darf man umso gespannter sein, welche Songauswahl auf der Tour präsentiert werden wird: ob aus dem reichhaltigen Fundus geschöpft oder weiterhin an neuen Stücken gefeilt wird. Diesbezügliche akustisch-kathartische Forschungen lassen sich am 22. Oktober in der Wiener Arena anstellen, wo die Band mit Anna von Hausswolff als Support-Act gastiert.