Krems. "Wir versuchen, ein vielfältiges Geflecht an Bezügen herzustellen, das etwas über die Zeit aussagt, in der wir leben", sagte Thomas Edlinger in einem Interview mit der "Wiener Zeitung", als der Neo-Intendant sich mitten in der Planung für sein erstes Donaufestival befand. Nun findet die erste Ausgabe des Festivals von 28. April bis 6. Mai unter dem Motto "Du steckst mich an" statt, programmatisch ist ein "Magnetismus der Offenheit".

Grundsätzlich steht Edlinger in bester Tradition von Vorgänger Tomas Zierhofer-Kin, der zu den Wiener Festwochen gewechselt ist. In Krems darf man sich jedenfalls auch 2017 vieles abseits üblicher Genreeinzäunungen erwarten. Performances, die den Zuschauer von der Passivität in die Aktivität bringen; Musik, die gerne über die Stränge schlägt; Ungewisses, das der Entdeckung harrt.

Geisterbeschwörung

Eine Programmneuheit ist das sogenannte "Stockholm Syndrom", eine Art freiwillige Entführung an jedem Festivaltag. Mit Schlagworten wie "Wirbelwind" oder "Klagelied" beschrieben, darf sich das Publikum an einem kurzfristig bekannt gegebenem Ort einfinden, um überrascht zu werden. Auf dem Messegelände gibt es heuer erstmals eine Festivalzentrale, genutzt gleichermaßen als Bar und Veranstaltungsort.

Neu ist auch der Schauplatz Dominikanerkirche in der Kremser Altstadt: Im 13. Jahrhundert errichtet, sind die Räumlichkeiten heute Teil des Museum Krems und werden am Samstag sowie am Sonntag von gut drei Dutzend nackter Körper bevölkert. Die österreichische Choreografin Doris Uhlich richtet dort mit ihrer jüngsten Arbeit ein "Habitat" ein, das die Zuschauer über Stunden hinweg beschäftigen kann.

Ausdauer braucht es auch, wer sich Kris Verdoncks "In Void" zu Gemüte führt, ist die Maschinenrevue doch bis spät in die Nacht angesetzt. Versprochen wird ein "sonderbares Ballett der Dinge".

Weitere Performance-Programmpunkte sind "Würfeln III" des Duos Karl Karner und Linda Samaraweerova, das die Besucher mit den Protagonisten an einen Tisch bittet, oder Ligia Lewis’ "minor matter": Die aus der Dominikanischen Republik stammende Choreografin, die vor zwei Jahren beim Impuls-Tanz-Festival ausgezeichnet wurde, widmet sich in dem in Rottönen gehaltenen Stück der Gegensätzlichkeit von Zu- und Abneigung, aber auch dem Spannungsverhältnis von Individuum und Gruppe. Ebenfalls eine österreichische Erstaufführung ist "The Empire Strikes Back: Kingdom Of The Synthetic" von Ariel Efraim Ashbel und Kollegen, das Science-Fiction und Popkultur, Futurismus und Moderne zusammenführt.

In musikalischer Hinsicht wird am ersten Wochenende die Vielfalt gefeiert. Egal, ob die Vorliebe bei dystopischem Metal mit Hang zur Noise-Attacke liegt, altgediente Helden des Industrial-Lagers ihre Aufwartung machen oder politischer Rap in elektronischem Umfeld gerade das Richtige ist - hier ist praktisch für jeden etwas dabei. Techno-Vordenker Wolfgang Voigt alias GAS sowie die britische New-Wave-Band Scritti Politti um Green Gartside sind dabei nur zwei Protagonisten, die vergangene Zeiten hochleben lassen. Am Samstag gibt es mit Moor Mother und Tommy Genesis zwei Rapperinnen zu erleben, die mit den üblichen Codes des Genres zwar spielen, sich ihnen aber nicht unterordnen.

Gedachte Strukturen

Tags darauf sind es weit gedachte Strukturen, die etwa bei den britischen Krautrockern Gnod oder dem Projekt Guardian Alien rund um Schlagzeugwirbelwind Greg Fox durchaus mal für nickende Köpfe sorgen könnten. Sounds from Outer Space oder doch das erdige Tribal-Drumming einer Geisterbeschwörung? Hier hat alles Platz, wie wohl auch Musiker und Yoga-Lehrer Gonjasufi sowie die norwegische Metalband Ulver beweisen werden. Und zu guter Letzt gibt es am Montag Krach als Institution, wenn die Einstürzenden Neubauten um Blixa Bargeld im Rahmen ihrer "Greatest Hits"-Tour in Krems vorbei schauen.

Alles, was laut ist und wehtut, vereinen hingegen The Body aus den USA. Stephane Roy bietet Möglichkeit zum Dampfablassen: In seiner Installation "The Laboratory Of Anger Management" bearbeitet man Sperrmüll. Zeit dafür: 30 Sekunden. Etwas länger, nämlich 20 Minuten, dauert die Behandlung bei Volkmar Kliens "Rezeptionshaltungen" im Klangraum Krems, bei der Sounds durch den Schädelknochen gejagt werden. Oder aber man widmet sich dem Diskursteil des Festivals: Technophilosophien von Donna Haraway, Selbstlosigkeit sowie Narzissmus stehen auf dem Programm.