
Es gibt auf österreichischer Ebene Pop-Erfolgsgeschichten, die mindestens ebenso verblüffend und phänomenal sind wie jene amerikanischer Indie-Bands wie Death Cab For Cutie, The Decemberists oder Wilco: Dass Musik, der a priori niemand Mehrheitsfähigkeit eingeräumt hätte, Spitzenplätze in den Charts erreicht.
In Österreich kommen verblüffungsverstärkend noch die Rahmenbedingungen hinzu: Die Programme der reichweitenstarken Radiosender sehen grundsätzlich keine individualistischen Kinkerlitzchen vor, da andernfalls ja die Format-"Philosophie" ad absurdum geführt wäre. Solcher strikter Konformismus potenziert sich mit einem gut gelernten und entsprechend tief sitzenden Misstrauen gegen Musik aus dem eigenen Land. Bleiben FM4, in Einzelfällen Ö1 und das Internet als überlaufene Plattformen für all jene heimische Talente, die Öffentlichkeit suchen. Und trotzdem schaffen es 5/8erl in Ehrn wie auch Ernst Molden mit seinen verschiedenen Solo- und Gemeinschaftsprojekten seit einiger Zeit regelmäßig in die vordersten Regionen der hiesigen LP-Charts, die offiziell Ö3-Charts heißen. Schaffen es damit in die Charts eines Senders, der sie gar nicht spielt.
Als Molden Mitte der 90er Jahre im weißen Anzug seine ersten Auftritte mit akustischer Gitarre absolvierte, galt er unter Hipstern und solchen, die sich dafür hielten, als "peinlich". Als 5/8erl in Ehrn ungefähr zehn Jahre später auf der Szene auftauchten, wurden sie für ihre Mixtur aus Folk, Blues, Jazz, Chanson und gepflegtem Schlager, die sie selbst kokett-griffig als "Wiener Soul" bezeichnen, zunächst eher angestaunt als bewundert. Sie glitten aber direkt in die Konjunkturphase des österreichischen Pop hinein, die einerseits zu gesteigerter Wertschätzung "regionaler Produkte" und andererseits zu mehr Offenheit führte. 5/8erl in Ehrn wurden zu einem gefragten, Amadeus-gekrönten Act. Ernst Molden wiederum war jetzt mit seinen poetisch-bildstarken Dialekt-Texten nicht mehr "peinlich" - wurde vielmehr zu einer integrativen Figur der Wiener Indie-Pop-Szene.
Von Alaba zu Kern
Das letzte Album der 5/8erl, "Yes We Does" (2014), war insbesondere wegen politischer Songs wie "Akademikerball" und dem spöttischen "Alaba, How do you do?", das auf die peinliche englische Anrede des Tiroler Landeshauptmanns Günther Platter an den Fußballer David Alaba anspielt, ihr mit Abstand erfolgreichstes. Auf dieses Momentum haben sich die 5/8erl indes nicht draufgesetzt, sondern sich eine längere Pause verordnet. "Duft der Männer", der fünfte Longplayer des Quintetts, klingt daher in mancherlei Hinsicht wie eine behutsame Neuorientierung.
Allerdings funktioniert das nicht immer. Denn das nach wie vor fragil-schöne, durch ein fließendes Akkordeon interpunktierte Zusammenspiel zwischen akustischer Gitarre und Keyboards nimmt hin und wieder Schaden an einer gewissen Umständlichkeit, die sich in den Texten breitmacht. Der subtil-anspruchsvollen Kunst der 5/8erl, Humor der absurden Wendung und Doppelbödigkeit zu überantworten, werden Songs wie "Fahnderl im Wind" mit seinem Namedropping und "Cheesy Kern", das den österreichischen Bundeskanzler u.a. mit dem italienischen Fußball-Tormann Gianluigi "Gigi" Buffon im wahrsten Wortsinn kurzschließt, nur rudimentär gerecht. Wo die Pointen nicht richtig treffen, schleicht sich eine gewisse Langatmigkeit ein, die auch auf die Musik zurückwirkt. Und ob es eine gute Idee ist, in einen Song, der von Populismus, Armut und Eskapismus handelt ("Campari Soda"), eine Barriere in Form der italienischen Sprache einzuziehen, bleibe dahingestellt.
Nichts zu wünschen übrig lassen der Opener "Badeschluss", der auch das titelgebende olfaktorische Motiv aufgreift, und das eindringliche "Wenn dein Mund meinen Mund verstanden hat". Doch vom Odeur einer etwas strapaziösen Übung können sie den "Duft der Männer" nicht reinigen.

Durchaus unterhaltsam ist dagegen das neue Album, das Ernst Molden mit Willy Resetarits, Walter Soyka und Patrick Wirth eingespielt hat. Diese Musik, die ihren kantigen Charakter durch den Verzicht auf die Schlagzeug-Bass-Rhythmusachse noch herausstreicht, ist, indem sie auf einen archaischen Fundus aus Blues, Rock und verschiedene Folk-Spielarten von Cajun bis zum Wienerlied zurückgreift, wesentlich robuster als die der 5/8erl in Ehrn. Apodiktisch von jedem Anspruch, "sich neu erfinden" zu müssen, befreit, liefern Molden/Resetarits/Soyka/Wirth auf ihrer dritten gemeinsamen LP mit dem gleichermaßen lakonisch wie auch lebensfroh anmutenden Titel "Yeah" wieder die Mischung aus rauen Blues-Hadern und Moldenschen Sehnsuchts- und Tagtraum-Balladen, die schon auf den Vorgängern "Ohne di" (2009) und "Ho rugg" von 2014 wie geschmiert funktioniert hat.
Das Quartett, das nach wie vor den Songs Moldens und der Produktion Kalle Laars vertraut, hat sich für die Aufnahmen nach Triest begeben, das auch in einer recht hübschen Ballade besungen wird. Nach wie vor aber dominiert Wien die Inhalte - sei es in Form von Schauplätzen wie dem St. Marxer Friedhof und der Prater Hauptallee, sei es auch durch Stadt-typische Figuren wie dem grantigen Oberkellner ("Hea Oba") oder dem galgenhumorigen Strotter in "Awarakadawara". Und nicht zuletzt in den Schimpfworten, Redensarten und Flüchen, die in "Bad Language" aufgerufen werden.