Im Out-of-Bed-Look: Frau Courtney und Herr Kurt. - © Danny Cohen
Im Out-of-Bed-Look: Frau Courtney und Herr Kurt. - © Danny Cohen

Courtney Barnett und Kurt Vile wirken nicht nur optisch so, als hätten sie Slacker-Habitus und Hippie-Flair bereits mit der Muttermilch aufgesogen - auch ihre Musik klingt so. Darüber hinaus zählen die beiden zu den talentiertesten Gitarristen und scharfsinnigsten Songwritern der Gegenwart. So war es wohl nur eine Frage der Zeit, bis sich die zwei dem Out-of-Bed-Look verschriebenen Ausnahmekünstler zusammentun würden. Jetzt liegt mit "Lotta Sea Lice" das Ergebnis ihrer Zusammenarbeit vor.

Dem Duo gelingt auf diesem Album nichts weniger als das Kunststück, den von Stereotypen und Beliebigkeit geprägten Gitarrenrock neu zu beleben. Mit beiläufiger Eleganz und großer Coolness musizieren hier zwei Meister des Gitarrenspiels und geben dem altbewährten Genre jene Selbstverständlichkeit, Frische und Lässigkeit zurück, die ihm über die Jahrzehnte verloren gegangen war.

Lakonischer Tonfall

Die Pop- und Rockgeschichte brachte bekanntlich schon einige herausragende gemischte Doppel hervor: Nancy Sinatra & Lee Hazlewood, Evan Dando & Juliana Hatfield, Jack & Meg White, Jon Spencer & Cristina Martinez oder Emmylou Harris & Gram Parsons seien hier nur stellvertretend genannt. Ein so unaufgeregtes Frau-Mann-Duo wie Courtney Barnett und Kurt Vile gab es aber vermutlich noch nie. Der Songwriter aus Philadelphia und seine Kollegin aus Melbourne erweisen sich als kongeniale Sparringpartner und verstehen sich wie nur wenige auf diese vertrauten, aber überaus raffiniert variierten Indierocksounds, die einen glauben lassen, man hätte jeden ihrer Songs schon immer gekannt. Die Ergebnisse sind gleichzeitig beiläufig und unglaublich prägnant, und das gesamte Album beeindruckt mit seiner Mischung aus rotzig-frecher Hemdsärmeligkeit, lakonischem Tonfall und in die Sonne zwinkernder Dösigkeit.

An vorderster Stelle schön an "Lotta Sea Lice" ist, dass das Album nicht nur Gitarren-Aficionados zufriedenstellen wird, sondern auch für die Laufkundschaft eine ganz eigene Magie entwickelt, die sich dem Diktat kurzlebiger musikalischer Moden mit viel Verve entgegenstellt.

Waghalsige musikalische Experimente durfte man von dieser Zusammenarbeit nicht erwarten - umso mehr überrascht die Lebhaftigkeit, mit der Barnett und Vile an ihrer Interpretation des Bekannten arbeiten und letztlich Stimmen, Stimmungen, Sounds und Stories zu einer Dreiviertelstunde Musik verdichten, deren melancholische Unbeschwertheit und stimmungsvolle Leichtigkeit an die goldene Zeit des Indierock denken lässt.

Barnett und Vile haben ihre interkontinentale Zusammenarbeit nie als musikalisches Nebenprojekt gesehen, und so ist "Lotta Sea Lice" auch viel mehr als eine willkommene Überbrückung der Wartezeit bis zu ihren jeweiligen nächsten Soloalben. Ein Stück namens "Over Everything" lieferte nicht nur den Ausgangspunkt für die gemeinsame Arbeit, sondern eröffnet nun auch den Songreigen des Albums.

Leichte Schieflage

Über sechs Minuten lang hält die Nummer dabei geschickt die Balance zwischen Stimmen und Gitarrenklängen - und immer, wenn die Worte der Erzähler verstummen, übernimmt die Musik selbst die Narration und schließt solchermaßen die Lücken. Während Songs wie "Peepin’ Tom" oder "Continental Breakfast", das während eines Hawaii-Urlaubs von Kurt Vile entstand und von der durch tausende Kilometer getrennten Freundschaft zu Barnett handelt, von den meditativ-mäandernden Gitarrenklängen Viles und Barnetts stimmlichen Interventionen im dylanesken Tonfall leben und in ihrer unaufdringlichen Eleganz einen sanften Sog erzeugen, verführen "Blue Cheese" mit geschmeidigem Jingle-Jangle-Sound und "Untogether", eine zum Abschluss gereichte Coverversion des Belly-Songs aus dem Jahr 1993, mit leichter Schieflage. "Fear Is Like A Forest" aus der Feder von Barnetts Lebenspartnerin Jen Cloher überrascht dagegen mit an Neil Young erinnernden Noise-Schüben der Gitarren.