Jazzfans wissen es: Erroll Garner - das war der Mann, der die Ballade "Misty" geschrieben hat. Der Swingpianist mit dem notorischen Grinsen (1921-1977) hat für den Jazz aber weit mehr geleistet. Seine Handschrift machte ihn zu einem Unikum. Nur würdig und recht, dass ihn die Welt dieser Tage neu entdeckt: Soeben ist ein Konzertmitschnitt aus dem Jahr 1964 veröffentlicht worden, der den US-Amerikaner auf der Höhe seiner Kunst zeigt.

Garner, hat ein Kritiker einmal gesagt, sei der Missing Link zwischen Swing-Pianist Fats Waller und Kauzkopf Thelonious Monk - das trifft den Nagel auf den Kopf und wird vom Auftritt in Amsterdam besonders stark bestätigt. Umrahmt von Bass und Schlagzeug, sprüht Garner nur so vor Spielwitz. Dabei setzt er seine typischen Mittel ein - ein verschlurftes Rubato und seine verzwirbelten Sololinien - , geht aber darüber hinaus. Garner leitet Standards mit abwegigen Intros ein, führt die Nummern hier und da auf völlig unverhoffte Pfade: "On Green Dolphin Street" etwa klappert in wenigen Minuten eine ganze Palette an Spielmöglichkeiten ab, stellt Bossa-Nova-Momente neben lyrische Kaskaden und leise Swing-Pointen. Am frappantesten vielleicht "Night And Day", völlig reharmonisiert und rhythmisch entrückt: Garner lässt das Original weit hinter sich, hält es im Kopf des Hörers aber präsent. Das ist große und dabei bestens gelaunte Kunst.