Sich den Namen zum Motto gemacht, hat sich der Soundsurfer in der vergangenen Woche vor die Lautsprecher gesetzt und sich die neuesten Releases auf dem elektronischen Sektor zum Hauptabendprogramm gemacht.
Seelenluft im Raum schallend zählt aus der folgend getroffenen Auswahl an Neuerscheinungen sicherlich zu den einschmeichelnsten. Durch den kleinen Vorgeschmack "Manila" auf der um den Jahreswechsel herum erschienenen Klein-Records Compilation "Sincerly Yours" neugierig geworden, entspricht nun das nachgesetzte Album "Out of the woods" voll den hochgesteckten Erwartungen des Zuhörers. Ein Phänomen, das heute kaum mehr zu beobachten ist; leider werden viel zu oft Alben um einen guten Track herum aufgebaut; diese Platzfüller schaden dem Künstler dann oft mehr, als sie nützen. Wieder einmal besticht Beat Solér aka. Seelenluft durch warme, breitgestreute Organik in der ansonsten oft sehr kühlen Welt der Elektronik. Das Album entstammt zum größten Teil seinem Laptop. Ein Sampler-ROM-Player machts möglich. Akustische Einspielungen runden das Szenario sehr angenehm ab.
Viel Flüstergesang ist auf der neuen CD von dogboy! "Watersports", frei nach dem Motto: "The light is oh, but there is no one home" erschienen auf pararecordings vienna zu finden. Jazzy&Funky tönen die Arrangements von Jaques Bush&Marino Acapulco zwischen Elektro-Pop, Songwriter-Annäherungen und Elektro-Pop, und erklären sich eigentlich mit dem Satz aus der Presse-Aussendung der CD: "Eine Menge Widersprüche und Bush/Acapulco halten sie zusammen, vollführen Stilwechsel mit scheinbar nachlässigem Perfektionismus". Der Flüstergesang ist Geschmackssache; die Low-Fi-Produktion Methode.
Vielversprechend beginnt "international" von Binder&Krieglstein (zeiger records). Viel nette Samples und beschwingte Rhythmen locken tiefer ins Album hinein, bauen eine chillige Atmosphäre in Form einer Welle auf, die allerdings mit dem vierten Track ("Shiny, deep and boring") bricht und nach einem hoffnungsvollen Aufflackern namens "I want to dare" leider in losem Sand verebbt und damit Kraut und Rüben nährt. Mit einer EP wäre die Hörerschaft besser bedient gewesen.
Dope-Beats in technoiden Arrangements oder HipHop-Atmosphären tauchen u.a. auf der neuen CD von Dadmnphreaknoizphunk - kurz DDPNP - "Take of da hot Sweater" (Combination Records) auf. Kein Track lässt den Zuhörer in Begeisterungsstürme ausbrechen, das Gesamtbild ist allerdings ein sehr hochwertiges und sympatisches. Die CD-Verantwortlichen Ramon Zenker und Oliver Bondzio sprechen von einem "Soundtrack" für den anstehenden Sommer - für die Urheber ein gutes Konzept, für den Hörer immerhin eine Möglichkeit.
Nun zu einer alten Leidenschaft des Soundsurfers: Knacksen, Klicken und Brizzeln. Das neue Album von Herrmann&Kleine "Our Noise" (Morr Music) bewegt sich fernab von multiplen Verwendungs- und Verwertbarkeitsmöglichkeiten, erinnert ein wenig an die frühen Sounds von Konsole und lässt das File-Schnippseln am Computer-Sequencer hoch leben. Ihre Musik vergleichen Herrmann&Kleine mit den Sonnenstrahlen, die durch die Wolkendecke brechen und alles in ein güldenes Licht eintauchen, sodass man plötzlich alles vergisst, was man bereits vergessen wollte. Musik wie süße Erinnerungen in einem angehmen, nie aufdringlichen Stil und trotzdem kraftvoll.
Auf Geräuschverwertung baut Nitrada mit seinem Longplayer "0+" (2.nd rec/Dense). Hier findet zwar auch der Umgang mit Rhythmik statt, allerdings ist das Klangbild kaum mit der Homogenität von Hermann&Kleine zu vergleichen, was wahrscheinlich darauf zurückzuführen ist, dass Nitrada aka Christophe Stoll aus dem Bereich der visuellen Kunst kommt und daher er mit seiner Musik ein gewisses Maß an Vorstellungskraft voraussetzt; schließlich verebbt Musik nicht als Rezeptionsprodukt der Ohren, sondern soll sich weiter durch die Gehirnwindungen wursteln, um Stimmungen und Bilder zu erzeugen. Im Fall von Nitrada müssen das allerdings nicht immer angenehme Stimmungen und Bilder sein, außerdem wirken sie manchmal ein wenig konstruiert und grobmaschig gestrickt, um der Vorstellungskraft die nötige Freiheit zu verleihen.
Mehr Sounderfahrung legen da schon Bip_HOp Generation (bip-hop) an den Tag. Allerding muss hier gleich vorweggenommen werden: Nicht auf PC abspielbar!!! Ob es sich hier um einen sinnlosen Kopierschutz handelt, ist auf der CD nicht ersichtlich; jedenfalls könnten sich gerade die Independent-Labels diesen Major-Unsinn sparen. Abgesehen davon ist das Album gelungen - kompromisslos wird an weichen, klaren Sounds gearbeitet, ohne dabei die Monotonie zu scheuen, da die Veränderungen im Detail stattfinden; ein musikalisches Bild in hoher Auflösung und mit viel Liebe zum Detail. Die BiP_HOp Generation sind: Accerlera Deck aus Birmingham, Andrew Duke aus Kanada, Mikael Stavostrand aus Schweden, Tonne aus England, Rechenzentrum (Christian Conrad, Lillevän und Marc Weiser) aus Berlin sowie D´Aberville aus Frankreich.
Zur Auflockerung noch eine seltsame Mischung von David Grubbs "Rickets&Scurvy" (FatCat). Es ist ein subtiles Songwriter-Album mit Gitarre und Gesang, das unter Mithilfe von Elektronikmeistern wie Dan Brown, Nöel Akchoté und John McEntire entstanden ist ... nur dass von der Elektronik kaum etwas zu hören ist; lediglich ihr Vorhandensein zaubert einen Style hervor, der eine neue Vision von Pop-Musik verwirklicht.