Wien.

Trent Reznor (links) und Atticus Ross bei der Arbeit: Ihr Soundtrack zu "Verblendung", dem aktuellen Kinowerk von David Fincher, erscheint am Freitag. - © mute
Trent Reznor (links) und Atticus Ross bei der Arbeit: Ihr Soundtrack zu "Verblendung", dem aktuellen Kinowerk von David Fincher, erscheint am Freitag. - © mute
Sowohl als Vorstand seines Einmannprojekts Nine Inch Nails als auch als Privatperson ist Trent Reznor vor allem als kompromisslos bekannt - ein Umstand, der nicht zuletzt auf die manischen Züge des 1965 im US-Bundesstaat Pennsylvania geborenen Musikers zurückzuführen ist. Schließlich kümmert sich der Multiinstrumentalist seit 1988 nicht nur weitestgehend allein um seine "Band". Auf eine nicht minder ambitionierte Phase der Selbstzerstörung zwischen Alkohol, Drogen und Depression folgte dann auch noch die Wiedergeburt als im Fitnessstudio rotierender Muskelmann, dessen neu gewonnene Energien zu einem erstaunlichen Output führten.

Künstlerische Autarkwerdung


Reznor, der mit seinem mittlerweile verblichenen Label Nothing Records einst auch Marilyn Manson zum Durchbruch verhalf, verkürzte die Intervalle seiner Albumveröffentlichungen und sorgte mit Online-Releases in mehrerlei Hinsicht für Aufsehen. So zeugte etwa die 2008 wie nebenbei aus dem Ärmel geschüttelte, epische Instrumentalmusik von "Ghosts I-IV" auch von seinen Bemühungen, sich vom "System" loszulösen. Neben den Kollegen von Radiohead wurde Reznor zum Pionier einer diesbezüglichen Autarkwerdung, die unterschiedliche Gratis- und Kaufvarianten seiner Onlineveröffentlichungen auch über limitierte und entsprechend hochpreisige Deluxe-Pakete in physischer Form garantierte. Nach einem ähnlichen Projekt für den New Yorker Spoken-Word-Künstler Saul Williams, einem weiteren Album der Nine Inch Nails und der Debütarbeit seines Projektes How To Destroy Angels (gemeinsam mit Ehefrau Mariqueen Maandig und Atticus Ross) schlug Reznor zuletzt aber einen ganz neuen Weg ein.

Im Verbund mit ebenjenem Atticus Ross, der seit den Nullerjahren als Mitproduzent Reznors einziger langfristiger Mitstreiter wurde, konnte eine ursprünglich skeptisch aufgenommene Anfrage des US-Regisseurs David Fincher ("Fight Club") als dessen Kooperationspartner in Sachen Soundtrack doch nicht abgelehnt werden. Nach einzelnen Beiträgen für Kinowerke wie Alex Proyas’ "The Crow", David Lynchs "Lost Highway" oder Simon Wests "Lara Croft: Tomb Raider" sollte es darum gehen, gleich den ganzen Score für "The Social Network" zu übernehmen. Das Resultat ist bekannt: Nach der Verleihung eines Golden Globe Awards für den besten Soundtrack durfte das Duo im Vorjahr auch einen Oscar mit nach Hause nehmen.

Das zur Zufriedenheit aller Beteiligten verlaufene Projekt wurde für die Vertonung von Finchers Stieg-Larsson-Film "The Girl with the Dragon Tattoo" ("Verblendung") nun unter geänderten Bedingungen wiederholt. Während Reznor und Ross bei "The Social Network" erst ins Spiel kamen, als das Projekt beinahe abgedreht war, entstand die Musik diesmal parallel zum Film und in intensiver Zusammenarbeit mit dem Regisseur. Für die Musiker bedeutete dies einen 14-monatigen Kraftakt zwischen täglicher Schreib-, Produktions- und Adaptionsarbeit.

Grunddüstere Szenerien mit Hang zum Kakofonischen


Die Zugeständnisse, die Reznor dabei machen musste, waren für den bekennenden Kontrollfreak aktuellen Interviews zufolge ein wichtiger Lernprozess, der von Finchers Streben nach Exzellenz entschieden begünstigt wurde: Brüder im Geiste. Inhaltlich kam die düstere Grundstimmung Reznors Kernkompetenz in Sachen Weltschmerz entgegen. Wir hören über eine Spieldauer von knapp drei Stunden insgesamt 39 (!) atmosphärische Beiträge, die es klavierbetont und konsequent unter dem Molldiktat je nach Szene filigran oder monumental anlegen.

Dazwischen rauschen, surren und knistern die Maschinen, brodeln die Bässe, rattern die Percussions und kippen die grunddüsteren Szenerien dissonant ins Kakofonische. Während Anfang und Ende Coverversionen von Led Zeppelins "Immigrant Song" (mit Karen O) und Bryan Ferrys Dandytragödie "Is Your Love Strong Enough?" vorbehalten sind, wird dem Fluss des Thrillers auch über ein Anschwellen und Nachlassen der Bedrohlichkeit Rechnung getragen.

Auf Dauer ist das freilich zu viel - nicht nur zum Film (das Ohr schaut mit!) aber dennoch ein spannendes Hörerlebnis.