
Wien/St. Pölten. Günstige Voraussetzungen für eine erfolgreiche Party wären zumindest in einer Hinsicht gegeben: Pünktlich zu seinem 18. Geburtstag und dem auch schon wieder zehnten Durchgang am Austragungsort in St. Pölten steht das FM4-Frequency-Festival zumindest im Inland weitgehend konkurrenzlos da.
Nach einem gescheiterten Betreiberwechsel im burgenländischen Wiesen im Vorjahr und dessen Nachwirkung Numero uno, die so aussieht, dass eines der schönsten und historisch bedeutendsten Festivalareale des Landes im Sommer 2018 unbespielt bleibt, erinnert die Stellung des Platzhirschen ebenso wie die Situation der Festivallandschaft beinahe an die heimische Innenpolitik (Stichwort "Opposition").
Dazu kommt, dass der Frequency-Betreiber im Konzernmutterschiff die Konkurrenz auch auf dem "härteren" Sektor ausbooten konnte: Nach dem Aus des 2015 zum Marktaufmischen gestarteten Rock In Vienna brummt das Nova Rock im Burgenland nach wie vor als kräftiger Wirtschaftsmotor auf Gitarren- und Schlagzeugbasis mit Umwegrentabilität in Form von Sturzbieren und Jägermeister.
Vier Tage wach
Daraus lukrierte Mittel scheint das FM4-Frequency-Festival heuer jedenfalls nicht unbedingt in das Line-up selbst investiert zu haben. Die Zielgruppe sieht sich neben einem Kraut-und-Rüben-Programm auch mit einem Mangel an klassischen Headlinern konfrontiert. Allerdings scheint das eher egal zu sein. Das heuer auf vier Tage aufgestockte Festival ist seit Wochen ausverkauft.
Zumindest für den Auftakt am Donnerstag hat man sich zusammengerissen und bringt etwas popkulturelle Relevanz nach St. Pölten: Die virtuelle Comicband Gorillaz klingt auf ihrem guten, aber nicht zwingend Festival-tauglichen neuen Album "The Now Now" ohne die sonst übliche Armada an Gaststars zwar eher wie ein introspektives Soloprojekt ihres musikalischen Masterminds Damon Albarn, der hier wieder einmal zart erschöpfungsdepressiv in den Seilen hängt.
Allerdings wird sich das live auch so wieder ausgehen - und es könnte außerdem gut zum Auftritt von Yung Hurn passen, der zu seinem ganz unter der Bettdecke gezogenen Cloud-Rap hörbar umnachtet etwa vom Substanzabusus in der Donaustadt kündet: "Deine Freunde verkaufen jetzt Drogen - okay cool!" Hier punktet das Frequency doppelt und kann sich nach einem wohldokumentierten Disput mit Bilderbuch vor drei Jahren auch auf die Fahnen heften, ja doch etwas für den heimischen Nachwuchs zu tun.
Neben einem Ausbau in der Kategorie des Halbstarken-Rap mit Acts wie RAF Camora und einem verzichtbaren Trend zum bemühten deutschen YouTuber-Humor in Form von Trailerpark aus Bielefeld (sie sind die "Crackstreet Boys") scheint das Frequency-Festival heuer vor allem aber auf seine Funktion als Partyflaggschiff für die Maturageneration des Jahres zu pochen.
Musik für Raumdüfte
Dass es in St. Pölten Musik schon immer zum Nebenbeihören gab, ist bekannt. Nach der Erfindung des Nightparks als Vergnügungszone bis in den Folgemorgen ist die Feier mit heuer erstmals sechs Bühnen aber endgültig selbst das Hauptprogramm.
Immerhin wird nicht nur mit dem an einer Schaltkanzel im Betriebsmodus "David Guetta" Arbeit simulierenden (oder vielleicht ja auch nur mit Onlinebanking oder E-Mails an seine Mutter beschäftigten) holländischen Electro-House-DJ Hardwell ein altes Kulturgut namens Band zur besten Zeit schlicht aus dem Programm rationalisiert. Auch in Kombination mit dem Auftritt des Teilzeit-Norwegers Kygo, dessen im Kern aus Klangtapeten mit Gefühl und Mitsummmelodien bestehende Musik sehr gerne nach Fernsehwerbungen für Raumdüfte klingt, sollten Setting und Stimmung an Nächte zwischen Ibiza und Ballermann erinnern, wie man sie aus Dokumentationen im deutschen Privatfernsehen vom Wegsehen kennt.
Das israelische Psytrance-Duo Vini Vici wagt sich dann noch an das Mammutprojekt, St. Pölten zu transformieren - und aus der niederösterreichischen Landeshauptstadt Goa zu machen. Geile Sache. Wir bleiben dran.