Die Bilder zeugen von Jugendsünden: Schnurrbärte, Spät-Popper-Haarschnitte, meterweit ausgestellte Bundfaltenhosen. Zugleich zeugen sie von der Fähigkeit, beim Sich-Selbst-Abfeiern auch über sich selbst zu lachen.
Novi Sad zelebrieren ein gutes Vierteljahrhundert Karriere. Sie tun das mit einem Paket aus Jubiläums-CD und schön gestalteter Buch-Biografie - und erzählen damit in Wort, Bild und Ton eine Geschichte über Enthusiasmus, Anerkennung, Ausdauer und en passant eben auch von der einen oder anderen Geschmacksverwirrung.
Novi Sad hatten eine etwas unglückliche Karriere. Ihr LP-Debüt "Nuts And Berries" weckte 1990 beträchtliche Hoffnungen, der Zweitling, "Dreaming Starts Here" (1992), versprach dann nicht weniger als den Durchbruch - doch statt dessen kamen dann - zumindest was die Breitenwirksamkeit betrifft - eher entbehrungsreiche Jahre. Daran änderten auch ehrgeizige Projekte wie das Ernst Jandl-Konzert-Lesungsprogramm "du sprechen deuts" und schöne Platten wie "Europes Other Side" wenig.
Respektvolle Referenz
2008 haben sie sich mit dem Doppelalbum "Rise" wieder ein wenig in Erinnerung rufen können, aber just das, was ihnen etwas Treibstoff zuführte, war gleichzeitig auch ihr größtes Hindernis: Mittlerweile hatte sich die österreichische Indie-Szene, der Novi Sad beträchtliche Wegbereiter-Dienste erwiesen hatten, breit und gut aufgestellt. Zwar erinnerte sich mancher der "Altvorderen" an sie, aber viel mehr als respektvolle Referenz löste "Rise" dann doch nicht aus.
Darin spiegelt sich letztlich das Karriere-Problem des Quintetts: Novi Sad haben in der einschlägigen Öffentlichkeit und Presse (abgesehen vom damaligen Kurier-Kritiker und nachmaligen Ö3-Chef Bodgan Roscic, der "Dreaming Starts Here" fürchterlich verrissen hatte) immer Achtung genossen, aber nie Jubelstürme ausgelöst, wie das später etwa Soap & Skin oder Ja, Panik gelungen ist.
Hinzu kamen etwas patscherte personelle Verflechtungen: Sängerin Evelyn Blumenau ist die Schwester von Martin Blumenau, einem langjährigen Aushängeschilds des österreichischen Pop-Journalismus. Dieser hielt sich aber, um sich nicht dem Vorwurf des Protektionismus auszusetzen, mit dem Naheliegenden zurück und unterließ jegliche Propaganda. Erst die Beispiele zahlreicher Berufskollegen, die für eigene oder ihrer unmittelbaren Umgebung entstammende Musik-Projekte ungeniert Werbung betrieben, bewog ihn zu einem Kurswechsel. "Ich bin ein Trottel", rekapitulierte Blumenau in einem "Ö3-Nachtexpress" sarkastisch seine Skrupel, in familiärer Sache auf den Sendeplan zu treten. Heute bekennt er sich "parteiisch und ausgesprochen voreingenommen" zu Novi Sad, in denen er Kurt Weill und die Romantiker heraushört und "die Kinderurlaube im damaligen Jugoslawien riechen kann".
Der Name ist - wenig überraschend - das, was bei Novi Sad als Erstes auffällt. Eine von den Wechselfällen der Geschichte heimgesuchte serbische Stadt bezeichnend, hätte dieser Name auch irgendwann einmal peinlich werden können, aber er hat immer gut gepasst: Zunächst inkarnierte er prototypisch jene anheimelnde Ostblock-Tristesse, mit der die österreichische Popmusik aus dem Blickwinkel des benachbarten Auslandes (vor allem der BRD) lange Zeit unterschwellig assoziiert worden war.
Später verstärkte sich diese düstere Anmutung noch, als Novi Sad mit seinen zerstörten Donaubrücken zum Mahnmal des Kosovo-Krieges wurde. Heute assoziiert man mit der Stadt eher Offenheit - und das nicht zuletzt in musikalischer Hinsicht: Damit ist stilistisch ein direkter Konnex zur Band hergestellt, die seit jeher eine Affinität zu osteuropäischen Folkstilen hatte.
Zudem lasse sich der Name, wird im Buch erklärt, sowohl mit "Neu gesetzt" wie auch mit "Neuer Garten" übersetzen, und passe damit ebenso gut zum innovatorischen Anspruch der Band wie die Analogie zum englischen Wort "sad" die Stimmung ihrer Musik wiedergebe.
Novi Sad entstammten der dritten großen Welle, die Österreichs Populärmusik nach den Anfängen des sogenannten Austro-Pop in den frühen 70ern und ihrer regionalen und bisweilen auch durchaus provinziellen Deutung der Neuen Deutschen Welle Anfang der 80er erreichte.
Überschuss an Talent
In den späten 80er Jahren bekam Wien, bis dahin düsterstes Live-Veranstaltungs-Brachland, endlich eine anständige Versorgung mit Konzerten maßgeblicher internationaler Acts. Das half der hiesigen Pop-Szene - ebenso wie der Niedergang der ziemlich dogmatisch "verwalteten" Musik-Stile Punk und New Wave. Insbesondere eine eklektisch agierende Band wie Novi Sad musste von solcher Blutauffrischung und stilistischer Permissivität profitieren.
Mit dieser Sozialisation kultivierten Novi Sad allerdings auch ein kurioses Problem: einen gewissen Überschuss an Talent, mit dem man nicht immer so recht weiß, wohin. Einerseits verstehen sich Sängerin Evelyn Blumenau und Gitarrist Klaus Schuch auf das Schreiben wunderschöner Songs, andererseits haben sie Pioniergeist, Entdeckungs- und Experimentierfreude. Lange "freie" Instrumentalflächen, Collagen und Lärm-Passagen belegen, dass man sich durchaus gewandt jenseits konventioneller Songstrukturen zu bewegen weiß. Es gibt aber relativ wenige Beispiele - "Ungargassenland", der vermutlich populärste deutschsprachige Novi Sad-Song, ist eines -, in welchen beide Strömungen zu einer vernünftigen Koexistenz finden.