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Abmahnung für Rumänien

Von WZ-Korrespondentin Kathrin Lauer

Politik

Die Schwächung des Kampfs gegen die Korruption und die Verbiegung des Rechtsstaats sorgen in Brüssel für großen Unmut.


Bukarest/Brüssel/Straßburg. Der Druck auf Rumäniens inoffiziellen Regierungschef, Liviu Dragnea, wächst von allen Seiten: Die Justiz setzt dem Vorsitzenden der sozialdemokratischen Regierungspartei PSD immer mehr zu, der liberale Koalitionspartner folgt ihm nicht mehr blind, der bisher sanfte Staatspräsident Klaus Johannis hat den Ton gegen ihn verschärft. Am Dienstag haben gleich zwei EU-Institutionen die Regierung Rumäniens heftig kritisiert - dabei soll das Land am 1. Januar die EU-Ratspräsidentschaft übernehmen.

Das Thema: der von Dragnea betriebene Abbau des Rechtsstaats und damit die Schwächung des bisher in Brüssel gelobten Kampfs gegen die Korruption. Das EU-Parlament verabschiedete dazu mit großer Mehrheit eine Resolution, die EU-Kommission formulierte die Kritik auch in ihrem alljährlichen Prüfbericht. Dragnea zeigt sich provokant gelassen. Für seine Gemütsruhe spricht, dass er die Ministerpräsidentin Viorica Dancila bei gemeinsamen Pressekonferenzen neuerdings zu Wort kommen lässt. Dancila ist nämlich wegen ihrer häufigen Grammatik- und Vokabularfehler Rumäniens Lachnummer. Deshalb übernimmt Dragnea das Reden meist selbst.

Statements ohne Patzer

Am Dienstag aber, kurz vor den erwarteten schlechten Nachrichten von der EU, schaffte Dancila ihre Statements ohne Patzer: "Ich wünsche, dass Rumänien nicht aufgrund (...) irgendwelcher Resolutionen beurteilt wird, die mehr oder weniger real sind (...), aufgrund von Dingen, die die einen oder anderen sagen". Ihr Chef Dragnea fügte hinzu: "Die großen Themen Rumäniens liegen jenseits aller Berichte und Monitoring-Verfahren (der EU)."

Die großen Themen für die EU - auch für die Parteifreunde Dragneas aus den Reihen der europäischen Sozialdemokraten, darunter auch Vize-Kommissionspräsident Frans Timmermans - sind Dragneas ständige Versuche, sich durch Verbiegung des Rechtsstaats vor einer Verurteilung zu retten. Er ist wegen Wahlmanipulationen vorbestraft. In erster Instanz wurde er vergangenen Juni wegen Anstiftung zum Amtsmissbrauch zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt. Ein Berufungsprozess läuft noch. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Dragnea wegen möglicher Veruntreuung von EU-Mitteln. Die Geschütze, die Dragnea dagegen auffahren ließ, sind gewaltig: Durch die Änderung der Strafprozessordnung wurden die Staatsanwälte gebremst. Durch die Frühpensionierung von Richtern und Anklägern soll das System geschwächt werden. Anfang Juli wurde die angesehene Korruptions-Sonderstaatsanwältin Laura Kövesi entlassen. Im August ließ die Regierung Gummigeschosse, Schlagstöcke und Tränengas gegen zehntausende Rumänen einsetzen, die in Bukarest gegen den Abbau des Rechtsstaats demonstrierten.

Letzter Streich

Dragneas letzter Streich gleicht einer schlechten Komödie: Dancila erwirkte mit Hilfe des mehrheitlich regierungstreuen Verfassungsgerichts, dass die Kammer des obersten Gerichts, die in Dragneas Berufungsverfahren zu urteilen hat, neu besetzt wird - weil der Angeklagte argwöhnte, dass die Richter ihn nicht mögen. Das Verfassungsgericht berief sich auf eine Neuregelung zur Besetzung der Gerichtskammern, die erst in diesem Sommer beschlossen wurde. Darin wird verfügt, dass alle fünf Richter dieser Kammer nach dem Zufallsprinzip per Auslosung bestimmt werden. Vorher galt das Los-Verfahren nur für vier Richter, nicht für den Vorsitzenden der Strafkammer. Der Streitpunkt dabei: Rumäniens oberstes Gericht wollte das neue Verfahren erst ab Januar 2019 anwenden und damit zunächst an der Zusammensetzung des Dragnea-Gerichts nichts ändern. Das Verfassungsgericht verfügte aber eine sofortige Anwendung des neuen Gesetzes. Die Gerichtspräsidentin, Cristina Tarcea, ließ daraufhin eilig alle fünf Richter neu auslosen. Die Pointe: Damit war Dragnea auch nicht zufrieden. Er hätte nur den Vorsitzenden Richter austauschen wollen. Dragneas fortdauerndes Justizdrama dürfte für eine turbulente rumänische EU-Ratspräsidentschaft sorgen.