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Wegen eines schwedischen Prinzips abgelehnt

Von WZ-Korrespondent Andre Anwar

Politik

Parlament wählte Chef der Konservativen, Ulf Kristersson, nicht zum Premier -er suchte zur sehr die Nähe der Schwedendemokraten.


Stockholm. Gut zwei Monate nach den Wahlen ist noch immer keine neue Regierung im sonst politisch so stabilen Schweden in Sicht. Am Mittwoch wurde der liberalkonservative Spitzenkandidat der Vierparteienallianz, Ulf Kristersson, mehrheitlich vom Parlament abgelehnt. Nach wochenlangen Verhandlungen wollte der Parteichef der "Moderaterna" eine Minderheitsregierung mit den sozialkonservativen Christdemokraten bilden. Die Liberalen und das Zentrum sollten sie stützen.

Weil Kristersson aber auch mit den Stimmen der willigen rechtspopulistischen Schwedendemokraten (SD) rechnete - die sind Königsmacher zwischen linkem und bürgerlichem Block -, haben sich beide Parteien dazu entschieden, gegen Kristersson zu stimmen. Aus Prinzip.

"Es war ein schwerer Tag, gegen einen Kollegen unseres Bündnisses zu stimmen", sagte Liberalenchef Jan Björklund nach der morgendlichen Abstimmung in Stockholm. "Wir werden keine Minderheitsregierung stützen, die von den Schwedendemokraten abhängig ist", sagte auch Zentrumschefin Annie Lööf. Bis zuletzt hatte Kristersson beteuert, dass die SD keinen Einfluss erhalten werde, auch wenn er ihre Stimmen braucht. Die Behauptung sei ein "Luftschloss", kritisierte Allianzkollege Björklund.

Auch historisch ist das Zerwürfnis im eigenen Block einmalig und laut den schwedischen Kommentatoren das Ende der lange unantastbaren Blockpolitik zwischen dem Dreiparteienbündnis Rot-Rot-Grün und der bürgerlichen Vierparteienallianz. Damit gehen Schwedens bürgerliche Parteien zum Teil einen anderen Weg als die vieler anderer europäischer Länder, die mit Rechtsaußenparteien Mehrheiten bilden.

Genau das wollte der bisherige sozialdemokratische Ministerpräsident Stefan Löfven auch erreichen. Bereits in der Wahlnacht forderte er ein Ende der Blockpolitik und übergreifende Zusammenarbeit, um der von Neonazis und Ex-SS-Mitgliedern mitbegründeten, inzwischen aber gemäßigten SD keinen Einfluss zu gewähren.

Am Donnerstag wird der Parlamentspräsident sich erneut mit den Parteiführern treffen und nächste Schritte erörtern. Bisher galt eine Neuwahl als unwahrscheinlich, weil sich die Mehrheitsverhältnisse kaum ändern würden. Möglicherweise wird es eine sozialdemokratische Minderheitsregierung geben, die neben ihren klassischen Stützparteien, der Linken und den Grünen, erstmals auch auf Liberale und Zentrum aus dem bürgerlichen Flügel zurückgreifen wird. Zumindest lehnen die Parteiführer beider bürgerlicher Parteien das nicht mehr ganz so kategorisch ab, wie noch vor einigen Wochen.

In den letzten beiden Legislaturperioden wurde die Königsmacherrolle der SD anderweitig entschärft. Zwischen den Blöcken gab es eine mal weniger, mal mehr offizielle Übereinkunft: Die Partei, die nach Wahlen am größten war, durfte das Land mit ihrem Block in der Minderheit führen. Der andere Block enthielt sich dann bei den wichtigen Abstimmungen. Die SD wurde so außerhalb gehalten.

Diese Regelung kam sowohl der zweiten bürgerlichen Regierung unter Fredrik Reinfeldt bis 2014 als auch Löfvens rot-grüner Folgeregierung bis September 2018 zugute. Nach der letzten Wahl wollte der bürgerliche Block da aber nicht mehr mitmachen.

Gleichzeitig mehren sich kritische Stimmen im bürgerlichen Lager als auch bei unabhängigen Politikanalysten über den vermeintlich undemokratischen Umgang mit der SD. Als verschmähter Außenseiter konnten die Schwedendemokraten ihren Stimmenanteil bei den letzten drei Wahlen von 5,7 auf 12,9 und nun auf 17,5 Prozent steigern.