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Premier sprengt den Rechtsblock

Von WZ-Korrespondent André Anwar

Politik

Stefan Löfven kann dank zweier bürgerlicher Parteien weiterregieren.


Stockholm. Über vier Monate wurde ergebnislos verhandelt. Neuwahlen wurden immer wahrscheinlicher. Doch am Freitag wird Schwedens Parlament voraussichtlich eine handlungsfähige Regierung wählen. Die bisherige rot-grüne Minderheitsregierung von Ministerpräsident Stefan Löfven wird dann, neben der Linkspartei, erstmals blockübergreifend von zwei Parteien aus der bürgerlichen Allianz aus vier Parteien gestützt.

Sowohl die bürgerliche Zentrumspartei als auch die Liberalen mussten dafür ihrem Wahlspitzenkandidaten Ulf Kristersson von der konservativen Partei Moderaterna und den Christdemokraten einen schmerzhaften Korb geben. Denn die wollten erstmals mithilfe der Schwedendemokraten (SD) regieren, indem ihre Regierung von den Rechtspopulisten toleriert werden sollte.

"Es ist nicht die beste Lösung, aber die einzige in einer sehr schwierigen Situation", so Zentrumschefin Annie Lööf, die mit ihrem Vorstoß auch die Liberalen zum Frontenwechsel bewegen konnte. Lööf gilt als standfeste Gegnerin der Rechtspopulisten, mit dessen Chef Jimmie Akesson sie immer wieder in für Schwedens kühle politische Kultur ungewöhnlich laute Wortgefechte geraten ist.

Sonst nur in Kriegs-und schweren Krisenzeiten

Die blockübergreifende Zusammenarbeit gilt als historisch und strategisch weitreichend. Denn die Blockpolitik galt stets als heilige Kuh, die nur in Kriegs- und schweren Krisenzeiten geopfert werden sollte.

Der stetige Erfolg der einst von Neonazis mitgegründeten SD, die nach der Parlamentswahl im September Zünglein an der Waage zwischen den klassischen Blöcken geworden ist und ihren Stimmenanteil von 5,7 (2010) auf 12,9 (2014) und zuletzt 17,5 Prozent ausbauen konnte, hat damit das klassische Parteiengefüge Schwedens endgültig implodieren lassen.

Doch nicht im Sinne Akessons. Der hoffte auf indirekte Beteiligung an einer bürgerlichen Regierung. In den anderen nordischen Ländern ist das schon längst gang und gäbe. Im Gegenzug wurde die Ausländerpolitik verschärft. So konnten die jahrzehntelang von Wahlniederlagen gegenüber den einst allmächtigen Sozialdemokraten heimgesuchten bürgerlichen Parteien Skandinaviens sich erstmals dauerhaft Mehrheiten sichern. Und immer mehr einstige Wähler der Sozialdemokraten liefen zu den Rechtspopulisten über.

Schweden erprobt nun einen anderen Weg. Das Land nahm während der Flüchtlingskrise 2015 rund 160.000 Personen auf, im Verhältnis zur Einwohnerzahl so viel wie kein anderer Staat in Europa. Die rot-grüne Regierung unter Sozialdemokrat Löfven verschärfte danach die Einwanderungsgesetze. Künftig sollen die Zuzugsregeln für Angehörige von Flüchtlingen wieder generöser werden. "Die kaltherzige Politik, die Kinder von ihren Eltern trennte, wird beendet", sagte Lööf fast trotzig nach ihrem Überlaufen.

Für Ministerpräsident Löfven ist der Wechsel zweier bürgerlicher Parteien in sein Lager ein gewaltiger strategischer Sieg, den er schon in der Wahlnacht anstrebte. Niemand glaubte da, dass es wirklich klappt. Hätten sich die vier bürgerlichen Parteien auf eine Zusammenarbeit mit der SD geeinigt, wäre diese Partnerschaft stimmenmäßig in den kommenden Jahrzehnten vom linken Block nicht schlagbar gewesen.

Steuersenkungen und Lockerungen im Asylrecht

Löfven hat sich seinen Sieg dementsprechend teuer erkaufen müssen. In einem 73-Punkte-Paket musste er weitgehende Zugeständnisse an die beiden bürgerlichen Parteien machen. Etwa in Form von erheblichen Steuersenkungen. Auch soll das Arbeitsrecht gelockert werden. "Das Paket signalisiert hauptsächlich eine bürgerliche Politik, mehr als eine sozialdemokratische. Die bürgerlichen Parteien sind inhaltlich die klaren Gewinner", so Mats Knudson, Chefkommentator des Senders SVT. Zudem haben die vier bürgerlichen Parteien bereits in der Übergangszeit nach den Wahlen ihr Haushaltsbudget für 2019 mithilfe der SD verabschiedet. Bei Demonstrationen und von Gewerkschaften wurde es als Umverteilung von unten nach oben kritisiert. Der Gewerkschaftsverband LO kritisiert nun auch die Übereinkunft dementsprechend.

Fraglich bleibt nun, wie die Wähler reagieren werden. Die SD ausgrenzen sei undemokratisch, wurde kritisiert. Man entschärf sie am besten, indem man ihr die attraktive Außenseiterrolle durch eine Zusammenarbeit nehme, wurde argumentiert. "Die Schwedendemokraten können eventuell mit einem weiteren Stimmenzuwachs rechnen. Lööf hat ja klargemacht, dass eine generösere Flüchtlingspolitik durchgeführt wird", bewertete Knudson. Das könne zu weiterem Unmut führen. Wähleruntersuchungen ergaben hingegen, dass die fremdenfeindliche SD sich nun mit knapp unter 20 Prozent gänzlich ausgewachsen haben könnte.