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Einigkeit mit Ablaufdatum

Von Alexander Dworzak

Politik

Bayerns Ministerpräsident Söder ist ab Samstag auch CSU-Chef, somit ein gewichtiger Faktor in Berlin. In der schwarz-roten Koalition herrscht Ruhe - noch.


Berlin/Wien. Wohl fühlt sich Markus Söder in seiner fränkischen Heimat. Der Nürnberger gilt nicht als München-Liebhaber, umgekehrt blicken die stolzen Oberbayern gerne auf ihre Landsleute aus dem Norden des Freistaats herab. Ab Samstag hat Söder noch ein zusätzliches Terrain zu beackern, das ihm eigentlich nicht behagt: die Bundeshauptstadt Berlin.

Denn beim CSU-Sonderparteitag wird die Machtübergabe an den 52-Jährigen vollzogen. Bereits im vergangenen März löste Söder Horst Seehofer als Ministerpräsident im Freistaat ab, nun gibt Seehofer nach mehr als zehnjähriger Regentschaft die Führung der Partei ab. Er muss seinen langjährigen Rivalen Söder gewähren lassen, nachdem die CSU sowohl bei der Bundestagswahl 2017 als auch der bayerischen Landtagswahl im Oktober desaströse Ergebnisse einfuhr.

Spannend wird, wie Söder seine neue Machtfülle nutzt. Denn bundespolitisch hat er bisher keine Ambitionen gezeigt, sein Ziel ist das Amt des Ministerpräsidenten gewesen. Trotzdem griff er nach dem Parteivorsitz, schließlich lässt der machtbewusste Politiker eine Schwäche wie die Seehofers nicht ungenutzt. Noch dazu gab es keine ernst zu nehmenden Konkurrenten.

Drei Machtzentren

In Berlin agiert Söder nun auf Augenhöhe mit der im Dezember ins Amt gewählten CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer und der SPD-Vorsitzenden Andrea Nahles. Alle drei Parteivorsitzenden sind jedoch nicht Teil der Regierung; auf CSU-Seite behält Seehofer seinen Job als Innenminister. Vorbei sind die Zeiten, als es nur ein Machtzentrum gegeben hat: das Kanzleramt. Von dort zog Hauptmieterin und CDU-Chefin Angela Merkel die Fäden, in der Fraktion von CDU/CSU assistierte ihr Vertrauter Volker Kauder. Er wurde vergangenen Herbst überraschend von Ralph Brinkhaus gestürzt und so ist die multipolare Ordnung nun auf das Kanzleramt, die Parteivorsitze und die Fraktionen verteilt.

In dieser neuen Lage scheinen CDU, CSU und SPD vor allem an Ruhe interessiert zu sein. Vorbei sind die ständigen Streitereien und Schuldzuweisungen, die sich 2018 bis in den Herbst zogen; allen voran der Disput zwischen Merkel und Seehofer in der Asylpolitik, welcher fast zum Bruch der Fraktionsgemeinschaft von CDU und CSU geführt hätte. Die Konservativen haben dabei schmerzlich erfahren, dass sie die AfD nicht loswerden, wenn sie die Nationalpopulisten lediglich kopieren. In Bayern lief die bürgerlich-liberale Wählerschaft angewidert zu den Grünen über. Der Stehsatz von CSU-Übervater Franz Josef Strauß, rechts der Partei dürfe es keine Konkurrenz geben, lässt sich nicht so einfach auf heute umlegen.

Söder hat nach dem von ihm mitverantworteten Debakel im Freistaat - nur noch 37,2 Prozent für die CSU, minus 10,5 Prozentpunkte gegenüber der Wahl 2013 - einen Imagewandel vollzogen. Der Zeit seiner politischen Karriere nicht nur äußerlich Bullige gibt sich nun streichelweich. Er buhlt um die Grünen, indem er Ökologie zur "Domäne der CSU" machen will. Noch im Juli gebrauchte Söder in der Migrationsdebatte den Begriff "Asyltourismus", mittlerweile sucht er in der Frage das Gespräch mit den Kirchen.

Mit Streit gewinnen die Koalitionspartner zwar nichts. Der Ruhe-Kurs lockt jedoch nur bedingt AfD-Sympathisanten zurück. Bundesweit hat die Union die Talsohle durchschritten, nach 25 Prozent im Oktober kratzen CDU/CSU wieder an der 30-Prozent-Marke. Die AfD kommt derzeit zwar nicht an ihre 18 Prozent vom Herbst heran, doch noch immer würden 15 Prozent für sie stimmen.

Restriktivere Migrationspolitik

Das mit Abstand wichtigste Thema dieser Wählerklientel ist eine restriktive Migrationspolitik. Dafür ist die CSU auch weiterhin zu haben. Innenminister Seehofer schlägt vor, ausreisepflichtige Ausländer in Gefängnisse zu sperren. Aufseiten der CDU kündigte Parteichefin Kramp-Karrenbauer ein "Werkstattgespräch" für Februar an, in dem es um Außengrenzschutz, Asylverfahren und Integration gehen soll. Sie will dabei auch über die Ereignisse im Sommer 2015 sprechen, was Kanzlerin Angela Merkel als "verplemperte Zeit" erachtet. Kramp-Karrenbauer muss das Auskommen mit ihrer Kanzlerin finden, sich aber auch von ihr absetzen, um den Vorwurf des Merkel-Klons zu widerlegen.

Viel deutet darauf hin, dass CDU und CSU mit einer strikten Haltung bei Migration und Integration an einem Strang ziehen werden. Teile der SPD drohen dann aber aufzubegehren, jene, die nie die Koalition in Berlin wollten. Und zwar als erstes gegen ihre Vorsitzende Nahles.

Vorbei wäre dann auch der schwarz-rote Frieden. Irgendwann aber kommt ohnehin die Unruhe. Schließlich lebt Söders CSU von ihren Alleingängen wie bei der Pkw-Maut. Diese sind die bundespolitische Existenzberechtigung der Regionalpartei.

Markus Söder wurde am Samstag mit 87,4 Prozent zum neuen CSU-Vorsitzenden gewählt.