Kataloniens Ministerpräsident Quim Torra sprach den Angeklagten kurz vor dem Abtransport im Gefängnis nochmals höchstpersönlich seine Solidarität aus und bekräftigte, seine Regierung werde kein anderes Urteil als den Freispruch akzeptieren.
Ansonsten, betont Torra immer wieder, werden die katalanischen Separatistenparteien der Minderheitsregierung von Spaniens sozialistischem Ministerpräsidenten Pedro Sánchez im Madrider Parlament die notwendige Unterstützung für die Verabschiedung des neuen Haushalts entziehen und damit Neuwahlen provozieren.
Doch dürfte weder das eine noch das andere eintreten. Die zur Last gelegten Anschuldigungen sind schwerwiegend. Die spanische Staatsanwaltschaft klagt die neun Separatistenführer unter anderem wegen Rebellion, Aufruhr und Veruntreuung öffentlicher Gelder an. Gegen weitere drei Politiker wird vor anderen Gerichten mit geringeren Anklagepunkten prozessiert.
Bei dem Verfahren, das kommende Woche am Obersten Gerichtshof in Madrid beginnt, drohen Kataloniens ehemaligen Vizeregierungschef Oriol Junqueras, aber auch den anderen Regierungsmitgliedern wie Innenminister Joaquim Forn oder Außenminister Raül Romeva hohe Haftstrafen von bis zu 25 Jahren. Ein Freispruch ist kaum zu erwarten, zumal alle Beteiligten bereits zuvor vom Verfassungsgericht verwarnt wurden, das als illegal eingestufte Unabhängigkeitsreferendum überhaupt vorzubereiten.
Ringen um Profilschärfung
Andererseits täuscht das Bild der Einheit unter Kataloniens Unabhängigkeitsbefürwortern bei der Verabschiedung der Angeklagten vor der Haftanstalt. Eineinhalb Jahre nach dem gescheiterten Unabhängigkeitsreferendum ist Kataloniens Separatistenlager tief gespalten und mit dem näher rückenden Gerichtstermin nehmen die Spannungen noch zu.
Es ist ein regelrechter Macht- und Richtungsstreit zwischen
Puigdemonts Wahl-Allianz JxCAT und Junqueras Linksrepublikanern der ERC entbrannt. So ermahnten die Linksrepublikaner den vom JxCAT gestellten Ministerpräsident Quim Torra bereits, nicht im Namen ihrer Partei zu sprechen. Man entscheide selber, ob man den Haushalt der spanischen Regierung unterstützen werde oder nicht.
Vor allem mit Blick auf die kommenden spanischen Gemeindewahlen, die parallel zu den Europawahlen am 26. Mai stattfinden, versuchen sich beide Parteien, in Stellung zu bringen. Der Konflikt wird immer offener ausgetragen, je näher der Prozess heranrückt. "Ich sah es als meine ethische Pflicht und politische Verantwortung an, in Katalonien zu bleiben und nicht zu fliehen", kritisierte der seit mehr als einem Jahr inhaftierte Junqueras diese Woche Puigdemont in einem Zeitungsinterview.
"Junqueras ist immer noch stinksauer, dass er im Gefängnis sitzt und Puigdemont damals einfach in einer Nacht- und Nebelaktion nach Belgien geflüchtet und nun das internationale Gesicht des katalanischen Unabhängigkeitskampfes ist", versichert Miquel Molina, stellvertretener Chefredakteur der katalanischen Tageszeitung "La Vanguardia".
So erteilten die Linksrepublikaner auch der von Pugidemont und Quim Torra neu gegründeten Crida-Bewegung eine klare Absage. Man werde sich nicht mehr einer parteiübergreifenden Bewegung anschließen, sondern alleine bei den Wahlen antreten.
Die ERC befürchtet, dass Puigdemont zum Protagonisten einer Gemeinschaftsfront werden könnte, während ihr eigener Spitzenkandidat Junqueras jetzt in Madrid verurteilt wird anstatt des eigentlich Hauptverantwortlichen Puigdemont, der an der Spitze der Regierungskoalition zwischen dessen Partei PDeCAT und der ERC stand.