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Laura Kövesi: Unbequem und unbeugsam

Von WZ-Korrespondent Frank Nordhausen

Politik

Die Juristin war für Bukarest bei der Korruptionsbekämpfung zu eifrig. Jetzt könnte sie mit der Macht der EU zurückkommen.


Bukarest. Diese Personalie ist eine Kampfansage - so sieht es die Regierung Rumäniens. Seit vergangene Woche in Brüssel bekannt wurde, dass die prominente rumänische Korruptionsverfolgerin Laura Codruta Kövesi als Favoritin für die Wahl zum ersten Generalstaatsanwalt der Europäischen Union gehandelt wird, reagiert Bukarest mit blanker Panik, und das mitten in der EU-Ratspräsidentschaft des Landes.

"Alles in ihrer Macht Stehende" würden rumänische Regierungsbeamte tun, um Kövesis Ernennung zu verhindern, wütete Justizminister Tudorel Toader, der maßgeblich für die Entlassung der 45-Jährigen als Chefin der rumänischen Antikorruptionsbehörde DNA im vergangenen Jahr gesorgt hatte. Er werde alle EU-Justizminister umgehend informieren, dass Kövesi ihren Posten politisch missbraucht habe, erklärte er. Um ihre Ernennung zu hintertreiben, möchte er sogar ein bereits eingestelltes Plagiatsverfahren um ihre Dissertation wieder aufnehmen lassen.

Tatsächlich kann es wohl niemand in Europa an einschlägiger juristischer Erfahrung mit Laura Codruta Kövesi aufnehmen. Sie hat bewiesen, dass es auch im postsozialistischen Osteuropa möglich ist, mit rechtsstaatlichen Mitteln gegen Regierungskorruption vorzugehen.

Kövesis mögliche Rückkehr in den Antikorruptionskampf auf höchster Ebene ängstigt deshalb viele rumänische Politiker, denn von dort könnte sie mit neuen Vollmachten fortsetzen, was ihr zuhause verwehrt wurde: die strafrechtliche Verfolgung von Korruption, Missbrauch von EU-Subventionen und grenzüberschreitendem Steuerbetrug. Diese Kompetenzen wird die neue "Europäische Staatsanwaltschaft" in Luxemburg besitzen, die von 22 der 28 EU-Mitgliedstaaten unterstützt wird.

Politisch motivierte Entlassung

In Rumänien war Kövesi der populistischen Regierung von Postkommunisten und Nationalliberalen im Weg gestanden, denn sie wollten mit einer Justizreform die Korruption entkriminalisieren. Im Juli 2018 zwang das von der Regierungspartei PSD kontrollierte Verfassungsgericht den bürgerlich-konservativen Staatspräsidenten Klaus Johannis, Kövesi zu entlassen, was er zuvor verweigert hatte. Justizminister Toader hatte Kövesis Kündigung mit dem Argument betrieben, sie habe das Ansehen Rumäniens im Ausland geschädigt und eine "Hexenjagd" gegen prominente Politiker betrieben. Kövesi klagt gegen die Kündigung vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.

Ihre Entlassung ist Teil der Regierungspolitik seit dem Wahlsieg Ende 2016 die Gewaltenteilung einzuschränken, die Justiz unter ihre Kontrolle zu bringen und belastete Politiker zu rehabilitieren. Trotz Demonstrationen Hunderttausender, wiederholter Verwarnungen durch das Europaparlament und die EU-Kommission setzt die Regierung ihre Angriffe auf das Justizsystem fort.

"Kövesi ist enorm wichtig, weil sie entschlossen gegen die endemische Korruption vorging", sagt der Journalist Attila Biro von der Bukarester Antikorruptionsinitiative Rise. Die Einrichtung der staatsanwaltlichen Ermittlungsabteilung 2003 war eine Bedingung Brüssels für den EU-Beitritt vier Jahre später. "Unter dem Druck aus Brüssel und der Bevölkerung war die Behörde unter Kövesis Leitung ab 2013 immer schlagkräftiger geworden und hatte zahlreiche Politiker angeklagt. Sie hat viel erreicht, allerdings bisher nur einen geringen Teil der zur Beschlagnahmung verfügten Vermögenswerte tatsächlich eingetrieben." Die Vorwürfe der Regierung gegen Kövesi, sagt der Journalist, seien "lächerlich und rein politisch motiviert".

Die ehemalige Profi-Basketballspielerin Kövesi machte nach ihrem Jurastudium eine steile Karriere. Von 2006 bis 2012 amtierte sie als erster weiblicher Generalstaatsanwalt Rumäniens. Im Folgejahr wurde sie vom damaligen Ministerpräsidenten Victor Ponta zur Leiterin der Antikorruptions-Staatsanwaltschaft bestellt - zwei Jahre später musste Ponta wegen einer Untersuchung Kövesis gegen ihn zurücktreten.

Bukarest hat kein Vetorecht

Die 1,83-Meter-Frau hat sich stets mit den Mächtigen und Mächtigsten angelegt. In ihrer Amtszeit ließ sie parteiübergreifend gegen mehr als 4000 Politiker, leitende Bürokraten, Staatsanwälte und Richter strafrechtliche Ermittlungen einleiten und hunderte Anklagen erheben. Über 70 Politiker wurden wegen Korruption verurteilt, darunter zwei ehemalige Ministerpräsidenten. Doch als Kövesi auch gegen Liviu Dragnea, den mächtigsten Mann Rumäniens, vorzugehen begann, kostete es sie ihr Amt. Sie warf dem wegen Wahlbetrugs verurteilten Parlamentspräsidenten und PSD-Chef vor, 21 Millionen Euro aus EU-Mitteln veruntreut zu haben - eine Untersuchung, die sie von Luxemburg aus weiterführen kann.

Über die Besetzung der europäischen Generalstaatsanwaltschaft entscheiden der EU-Ministerrat und anschließend das Europa-Parlament mit einfacher Mehrheit bis Ende Februar. Weitere Kandidaten neben Kövesi (die die Shortlist anführt) sind der Franzose Jean Francois Bohnert und der Deutsche Andrés Ritter.

Den Rat versucht die Bukarester Regierung gegen Kövesi einzunehmen, ein Vetorecht hat sie nicht. Macht Kövesi in Luxemburg so weiter wie in ihrer Heimat, dann dürfte auch in anderen EU-Ländern bald Angst umgehen. Aber dass diese Frau Mut und die nötige Kompetenz besitzt, das hat sie bewiesen.

Wissen

In den Zuständigkeitsbereich des neuen EU-Generalstaatsanwalts (sowie der künftigen Europäischen Staatsanwaltschaft) wird die strafrechtliche Untersuchung und Verfolgung von Finanzstraftaten gegen die Interessen der Europäischen Union (Korruption, Fördermittel-, grenzüberschreitender Mehrwertsteuerbetrug) fallen.

Die EU-Kommission hatte die Stelle des Europäischen Generalstaatsanwalts Mitte November ausgeschrieben.