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Spanien vor der Machtprobe

Von WZ-Korrespondent Manuel Meyer

Politik

Kataloniens Separatismus könnte in Spanien zu Neuwahlen führen.


Madrid. Schon seit Tagen ist der Oberste Gerichtshof im Zentrum Madrids aus "Sicherheitsgründen" weiträumig abgesperrt. Am Dienstag beginnt hier der Prozess gegen zwölf katalanische Separatistenführer und die Polizei will auf mögliche Protestaktionen vorbereitet sein.

Separatistische Aktivisten und Politiker der ehemaligen katalanischen Regionalregierung von Carles Puigdemont sollen für den Abspaltungsversuch Kataloniens von Spanien zur Verantwortung gezogen werden, der im Oktober 2017 in einem verbotenen Unabhängigkeitsreferendum und der kurzzeitigen Ausrufung der katalanischen Republik gipfelte.

Das Medieninteresse ist riesig - über 600 Journalisten aus 30 Ländern. Drei Monate soll der Prozess dauern. Über 500 Zeugen werden gehört, viele Polizeichefs, Barcelonas Bürgermeisterin, ehemalige Minister und sogar Spaniens damaliger Ministerpräsident Mariano Rajoy. Den meisten Angeklagten wie Kataloniens ehemaliger Parlamentspräsidentin Carme Forcadell drohen wegen Rebellion, Aufruhr und Veruntreuung öffentlicher Gelder 17 Jahre Haft. Für den damaligen Vize-Regierungschef Oriol Junqueras verlangt die Staatsanwaltschaft sogar 25 Jahre. Kataloniens ehemaliger Regierungschef Puigdemont entzog sich dem Prozess, indem er bereits kurz nach dem Referendum vor der Justiz nach Belgien floh.

Der Gerichtsprozess wird eine große Machtprobe für das schon maximal angespannte Verhältnis zwischen der sozialistischen Zentralregierung von Ministerpräsidenten Pedro Sánchez und der separatistischen Regionalregierung Quim Torras. Man werde kein anderes Ergebnis als den "Freispruch der politischen Gefangenen" akzeptieren, heißt es stets aus Barcelona.

Tatsächlich stellt der nun beginnende Prozess indirekt aber sogar ganz Spanien vor die Zerreißprobe. Denn nicht nur Kataloniens Separatisten, sondern auch rechtskonservative Oppositionsparteien in ganz Spanien nutzen den Prozess, um den Druck auf Sánchez’ schwache Minderheitsregierung zu erhöhen.

Eine Begnadigung wäre der politische Tod von Sánchez

Am Mittwoch sollen die Parlamentsgespräche über den dringend zu verabschiedenden Haushalt 2019 beginnen. Sánchez braucht dafür die Stimmen der beiden katalanischen Separatistenparteien. Die fordern aber als Gegenleistung Freisprüche und Gespräche über die Loslösung ihrer Region von Spanien.

Das Erste kann ihnen Sánchez, selbst wenn er wollte, nicht geben, da auch in Spanien die Justiz unabhängig ist. Möglich wäre - wenn überhaupt - eine Begnadigung nach einer Verurteilung. Das wäre allerdings sein politischer Tod. Und auf die Forderung nach Gesprächen über die Loslösung Kataloniens will Sánchez nicht eingehen.

"Ohne Haushalt verkürzt sich die Legislaturperiode", warnte Spaniens stellvertretende Regierungschefin Carmen Calvo am Freitag Kataloniens Separatisten. Wie am Montag spanische Medien berichten, erwägt Sánchez den 14. April bereits als mögliches Datum für vorgezogene Neuwahlen, sollten die Separatisten am Mittwoch die Haushaltsgespräche blockieren.

Der nun beginnende Prozess gegen ihre ehemaligen Parteiführer setzt die Separatistenparteien aber unter Druck. Im Mai finden in Spanien parallel zu den Europawahlen landesweit Gemeindewahlen statt - auch in Katalonien. Mit Blick auf ihre Wähler müssen sie die Angeklagten und ihre politischen Ziele verteidigen.

Andererseits könnte ein von ihnen provozierter Sturz von Sánchez Nachteile für den Unabhängigkeitsprozess mit sich bringen. Denn die beiden rechtskonservativen Oppositionsparteien, der PP und die Ciudadanos, warten nur auf Neuwahlen, um die Sozialisten durch eine von der neuen rechtspopulistischen Vox-Partei gestützte Koalition abzulösen.

Sánchez hatte nach seiner Amtsübernahme im vergangenen Juni versprochen, erneut den politischen Dialog mit Kataloniens Separatisten zu suchen, nachdem sein konservativer Vorgänger Rajoy mit einer Politik "der harten Hand" sämtliche politische Lösungen verbaut hatte und damit indirekt sogar das Erstarken und die Radikalisierung der Separatisten in der wirtschaftsstarken Mittelmeerregion mit neun Millionen Einwohnern provozierte.

Sánchez stieß mit seiner Dialog-Politik jedoch bald an seine Grenzen, gibt sich aber Mühe, die Gespräche nicht abreißen zu lassen, auch wenn er nicht auf die Hauptforderung der Separatisten nach einem einvernehmlichen Referendum eingehen will. Doch schon die eher symbolische Geste von Sánchez, bei den Gesprächen einen neutralen Vermittler zu akzeptieren, nahmen die drei konservativ bis rechten Oppositionsparteien zum Anlass, am vergangenen Sonntag gemeinsam eine Massendemo mit 45.000 Teilnehmern gegen die Katalonien-Politik der Regierung zu organisieren.

PP-Chef Pablo Casado erklärte, Sánchez knicke vor den Separatisten ein, die sich schon lange nach einem internationalen Vermittler sehnen, um zu suggerieren, es handle sich um einen Konflikt zwischen zwei gleichwertigen Staaten. Er nannte Sánchez sogar einen "Vaterlandsverräter" und forderte sofortige Neuwahlen. Die könnten im Zuge des Prozesses nun tatsächlich schon bald stattfinden.

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