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Spanien entscheidet zwischen Dominanz und Dialog

Von Konstanze Walther

Politik

Bei den Neuwahlen ist die Behandlung Kataloniens das beherrschende Thema.


Madrid. Es ist der Kampf Ordnung gegen Chaos. So sieht es zumindest der Politiker Pablo Casado, der seit Juli 2008 der konservativen Partei Partido Popular vorsteht. Der 38-Jährige zieht eine klare Linie für die kommenden Neuwahlen in Spanien: Entweder man wählt ihn, beziehungsweise die konservativ-liberalen Ciudadanos oder die rechtspopulistische Partei Vox, und ehrt so die territoriale Einheit Spaniens. Oder man wählt die anderen, die "Volksfront", wie Casado sie spöttisch bezeichnet. Die Volksfront in Spanien war ein Bündnis von linken Politikern und Anarchisten, die 1936 an die Macht gekommen waren, aber nur wenige Monate später von dem Militär aus dem Amt geputscht worden waren. Die Zeit Francisco Francos und seiner Militärdiktatur hatte damit begonnen.

Wenn Casado von der Volkfront spricht, meint er heute die Sozialisten, die Separatisten und die "Freunde Batasunas", wie er es formuliert - und rückt damit die Anderen in das Umfeld des ETA-Terrorismus.

Casado spricht am Freitag deutlich aus, wie er sich die neue Regierung in Spanien wünscht: Voll "mit dem Geist des Colón-Platzes". Ein poetischer Ausdruck für eine Koalition, die sich schon in Andalusien formiert hat: Die Volkspartei, gemeinsam mit den Ciudadanos und der rechtspopulistischen Partei Vox, die bisher noch gar nicht im nationalen Parlament vertreten ist. Auf dem Platz Colón in Madrid, riefen die drei Parteien vor eine Woche zu einer gemeinsamen Kundgebung gegen die sozialistische Regierung auf. Offizieller Grund: Dass der sozialistische Regierungschef Pedro Sánchez laut darüber nachdachte, eine Art Mediator für Gespräche mit Katalonien zu installieren.

Schließlich ist die Situation zwischen Madrid und Barcelona derzeit mehr als verfahren: Die Parteien mit separatistischen Zügen haben im Regionalparlament (dank der überproportionalen Gewichtung der ruralen Gebiete) die Mehrheit. Und der Präsident der Regionalregierung, Quim Torra, ist ein vehementer Verfechter der Unabhängigkeit Kataloniens.

Katalanische Parteien ließen Sánchez fallen

Man sei gegen eine "Politik des Dialogs", tönten dann auch die Konservativen am Colón-Platz.

Dass der sozialistische Premier Pedro Sánchez allerdings ebensowenig auf ein Referendum in Katalonien eingehen will, wie der konservative Politiker Casado, hat den 46-jährigen Sánchez vergangene Woche das Amt gekostet.

Denn die beiden separatistischen katalanischen Regierungsparteien, der PDeCAT und die ERC, haben der Minderheitsregierung die Zustimmung zum Budget verweigert, weil man auf ihre Forderungen nicht eingegangen ist: Einerseits wollten die Katalanen die Genehmigung, ein Referendum zur Unabhängigkeit abzuhalten. Andererseits wollten sie auch prinzipiell Freisprüche für die "politischen Gefangenen", denen seit der vergangenen Woche der Prozess vor dem Obersten Gerichtshof in Madrid gemacht wird. Auf die juristische Forderung kann ein Regierungschef Sánchez keinen Einfluss nehmen. Und die Referendums-Forderung wäre, so sind sich alle Beobachter einig, sowieso der politische Tod für Sánchez gewesen. Abgesehen davon, dass man dafür zuerst die spanische Verfassung ändern müsste, und die dafür notwendige qualifizierte Mehrheit wohl utopisch wäre.

Nachdem Sánchez nicht einmal eine einfache Mehrheit im Parlament mehr zusammenbringt, hat er am Freitag Neuwahlen für den 28. April angesetzt. In den Umfragen führt seine Partei (PSOE) zwar mit 24 Prozent. Aber dicht dahinter folgen die Konservativen mit 21 Prozent und den konservativ-liberalen Ciudadanos mit 18 Prozent. Die Rechtspopulisten von Vox könnten erstmals ins überregionale Parlament einziehen - ihnen sagen Umfragen derzeit 11 Prozent der Stimmen voraus. Damit hätte jener Block, der sich für "ordentliche" Verhältnisse einsetzt, eine knappe Mehrheit. Die Linkspopulisten von Podemos kommen nur auf 15 Prozent.

Welche Wahl hat man nun? Entweder, so formuliert es der PP-Vorsitzender Casado, man wählt "den Freund von Torra" - also Sánchez, der den Dialog mit dem Regionalpräsidenten suchte- oder den, "der den Artikel 155 bereit hält". Das wäre Casado selbst. Der Artikel 155 der spanischen Verfassung behält der Zentralregierung (via Senatsentscheidung) vor, den Regionen ihre Autonomie-Rechte zu entziehen. Laut Casado sollen sämtliche katalanische Regierungsmitglieder etwa von Madrid aus gewählt werden, die Region soll auf unbefristete Zeit unter die Kontrolle Madrids gestellt werden.

Prozess gegen katalanische Politiker wird weitergeführt

Was der Prozess, der gegen die katalanischen Politiker geführt wird, für Auswirkungen auf die Wahlen haben wird, traut sich niemand zu sagen. Das Richtergremium hat sich aber gegen die Aussetzung der Verhandlung ausgesprochen, obwohl die brisante Phase wahrscheinlich mit dem Endspurt des Wahlkampfes zusammentreffen wird. Insgesamt sollte der Prozess drei Monate dauern. Man wolle aber versuchen, ihn noch vor Beginn der Wahlkampagne am 12. April abzuschließen und die Urteilsverkündung auf ein Datum nach den Wahlen zu verschieben.