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Digitales Bewusstsein schaffen

Von Hannah Greber

Politik

Datenschutzexperte Matthias Jax bringt Jugendlichen die Bedeutung von Privatsphäre und Regeln im Internet näher.


Wien. "Weltbereister & eloquenter Abenteurer, braut seinen eigenen Met, geht auf Berge und läuft Marathon." So beschreibt sich Matthias Jax auf seinem Twitter-Profil. Der Datenschutzexperte und selbst ernannte Abenteurer spricht im lichtdurchfluteten Büro des Österreichischen Instituts für angewandte Telekommunikation (ÖIAT) - es wurde 1997 gegründet, "damals waren die Namen noch sehr hip, wenn sie lang waren" - über Datenschutz im Netz. Jax ist Projektleiter von Saferinternet.at, des österreichischen Ablegers einer Initiative der EU-Kommission, um Kinder und Jugendliche beim sicheren Umgang mit dem Internet zu unterstützen, und die lehrt, sorgfältig damit umzugehen, welche Informationen man online teilt.

Privatsphäre im 21. Jahrhundert ist untrennbar mit Online-Datenschutz verbunden. Und das Recht auf Privatsphäre ist ein Menschenrecht, festgeschrieben in der Menschenrechtscharta der Vereinten Nationen. "Ich glaube, eine Möglichkeit, Privatsphäre online zu definieren, ist dieses bewusste Nicht-Preisgeben von Informationen. Oder das Bewusstsein, wenn ich einmal etwas ins Internet gestellt habe, ist es öffentlich. Alles im Internet wird irgendwann irgendwo aufpoppen, gerade dann, wenn es hochemotionale Inhalte sind, zum Beispiel Sexbilder", so Jax.

Einer von drei Internetnutzern weltweit ist ein Kind

Der Jugend-Internet-Monitor, eine Studie von Saferinternet.at, zeigt, dass soziale Netzwerke Teil der Jugendkultur sind. Im Jahr 2018 nutzten 85 Prozent der Österreicher im Alter von elf bis 17 Jahren den Nachrichtendienst WhatsApp, 81 Prozent verwendeten die Videoplattform YouTube und 63 Prozent Instagram, den Fotodienst von Facebook.

Einer von drei Internetnutzern weltweit ist ein Kind, der Zugang zum Internet erfolgt in immer jüngerem Alter. Das Bewusstsein von Jugendlichen dafür, was mit Inhalten passiert, die online geteilt werden, ist ganz unterschiedlich ausgeprägt. Laut Jax gebe es auf der einen Seite Jugendliche, die sehr viel wüssten, andererseits diejenigen, denen "einfach alles egal ist". Die EU-Kommission bemüht sich um Bewusstseinsbildung und finanziert das Saferinternet-Programm mit. "Wir versuchen, die Jugendlichen direkt in ihrer digitalen Lebensweise abzuholen", erläutert Matthias Jax, "erklären und zeigen ihnen, was genau sie online tun. Wir versuchen zu sagen, wir verstehen Dich - auch, wenn es um Nacktbilder geht, die Du versendest. Und dann versuchen wir, zu erklären, warum es vielleicht doch nicht das Beste ist, dies oder das zu tun, oder auch aufzuklären, dass es einen sichereren Weg gibt."

Die seit Mai 2018 geltende Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) in der Union habe es ihm aber leichter gemacht, Jugendlichen einen Überblick über ihre Privatsphäre-Einstellungen zu verschaffen: "Dadurch, dass die Plattformen dazu gezwungen worden sind, die Informationen relativ klar und verständlich aufzuschlüsseln, kann ich diese jetzt besser vermitteln. Durch die DSGVO sehen wir jetzt einfach und verständlich, wie komplex das alles ist."

Die DSGVO ist eine Verordnung der EU, die Regeln zur Verarbeitung von Daten durch Unternehmen vorgibt. Dadurch soll der Schutz persönlicher Daten, aber auch ein freier Datenverkehr innerhalb der EU, gewährleistet werden. Für Nutzer bedeutet die DSGVO mehr Kontrolle über ihre Daten und mehr Transparenz, wofür Daten gesammelt werden: "Spannend und großartig für mich als Nutzer finde ich, dass ich erstmals die Möglichkeit habe anzufragen, welche Daten überhaupt verarbeitet werden", meint Jax. Um zu erfahren, welche Informationen ein Unternehmen über jemanden gesammelt hat, kann man bei jeder Firma nachfragen. "Es gibt Unternehmen, die das sehr transparent zur Verfügung stellen, Facebook zum Beispiel. Wenn ich beim Musikdienst Spotify anfrage, bekomme ich hingegen eine speziell codierte Datei, durch die muss ich mich dann durchwühlen", erklärt Jax die unterschiedliche Handhabung der noch recht jungen Verordnung.

Die vergangenen Monate haben gezeigt, dass eine einheitliche Auslegung der Verordnung noch nicht erreicht ist. So steht die österreichische Post seit Jänner in der Kritik, ohne rechtliche Basis Daten zur Parteiaffinität gesammelt und verarbeitet zu haben. Google erhielt nach einer Beschwerde des österreichischen Datenschutzaktivisten Max Schrems im Jänner eine Strafe in Höhe von 50 Millionen Euro. Google habe die erhobenen Daten für Nutzer nicht einfach genug zugänglich gemacht. "Es ist wunderschön, wie jetzt abgearbeitet wird, was die alles über einen wissen", so Jax zu den Auswirkungen der DSGVO.

Für die Jugendlichen bedeutet die DSGVO, dass sie ab einem Alter von 14 Jahren in Österreich dem Tracking von Daten zustimmen können. Die gesammelten Daten werden verwendet, um Nutzerprofile zu erstellen. Anhand dieser erhalten die User gezielte Informationen, allen voran Werbung. "Wenn man das nicht weiß, fällt man potenziell auf Irreführungen hinein, gerade was Fake News angeht", sagt Jax. "Wenn man sich aber dessen bewusst ist, kann man gegensteuern."

Ein aufkommendes Problem im Bereich Datenschutz sind sogenannte Connected Toys, also Spielzeuge, die mit dem Internet verbunden sind. Beispielsweise hört ein Teddybär im Kinderzimmer mit und schickt die Audioaufnahme über eine App an die Eltern. Diese Spielzeuge sind problematisch, da oft nicht klar ist, welche Systeme die aufgezeichneten Daten schützen. Diese sind oftmals nur unzureichend verschlüsselt, die Aufnahmen können somit geleakt und öffentlich gemacht werden. "Die ständige Internetanbindung setzt ein gewisses Maß an Vertrauen gegenüber dem Spielzeughersteller voraus. Genau hier liegt das Problem, das sind Spielzeughersteller und keine Datenschutzexperten. Sie haben zwar schon Maßnahmen getroffen, aber es gibt noch viele Probleme", meint Jax.

9,2 Milliarden Euro für digitales Europa vorgesehen

Die EU plant, für das digitale Europa 9,2 Milliarden Euro im nächsten Finanzrahmen von 2021 bis 2027 bereitzustellen. Neben dem Ausbau von Computersystemen, Künstlicher Intelligenz und Cybersecurity sollen 700 Millionen Euro dafür verwendet werden, um den Umgang mit digitalen Technologien zu fördern. Dazu gehört auch ein geschulter Umgang mit den eigenen Daten.

Matthias Jax wünscht sich für die Zukunft eine überarbeitete Regelung des Urheberrechtes, denn das würde Kinder und Jugendliche besonders betreffen. Sogenannte Memes, also Bilder aus bekannten Szenen, die mit einem Text versehen werden und somit eine neue Bedeutung erhalten, sind unter Österreichs Jugendlichen beliebt. "Eigentlich mache ich mich jedes Mal strafbar, wenn ich ein Meme verwende. Ich darf nicht einfach ein Bild aus der Serie ,Spongebob‘ verwenden und mit einem schönen Untertitel versehen, ich habe ja niemals Rechteinhaber Nickelodeon danach gefragt. Es braucht Rechtssicherheit, damit in Zukunft jeder publiziertes Material weiterverwenden kann. Das betrifft denjenigen, der das Werk geschaffen hat genauso wie die Person, die es nutzen möchte."