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Länder-Notlösungen gegen Brexit-Chaos

Von Karl Ettinger und Siobhán Geets

Politik

Österreich trifft Vorkehrungen für den Brexit. Oberösterreich und die Steiermark wären besonders betroffen.


Linz/Graz/Wien. Geht es um den Brexit, werden dramatische Szenarien an die Wand gemalt, vor allem bei einem chaotischen EU-Austritt des Vereinigten Königreichs: Kilometerlange Staus an den Grenzen, Medikamentenknappheit, keine frischen Früchte mehr in britischen Supermarktregalen. Wie schlimm es tatsächlich wird, ist schwer zu sagen - es ist immer noch nicht klar, welche Art von Brexit es denn nun sein wird. Nach einem No-Deal-Brexit Ende März sieht es derzeit nicht aus, wahrscheinlicher ist eine Verschiebung des Brexit auf Juni. Weil aber nichts ausgeschlossen werden kann, bereiten sich in Österreich auch die Bundesländer auf einen harten Brexit vor. Das betrifft jene Bereiche, die durch Landesgesetze geregelt sind.

Rund 10.000 Briten leben in Österreich

In Oberösterreich geht es um knapp 800 von insgesamt etwas mehr als 10.000 britischen Staatsbürgern in Österreich. Im oberösterreichischen Landtag wird am Donnerstag für Briten, die im Bundesland arbeiten, ein Vorratsbeschluss gefasst. Das ist notwendig, damit die Briten im Land ob der Enns nicht über Nacht zu Drittstaatsbürgern werden, wenn Großbritannien die Europäische Union am 29. März ohne Abkommen mit Brüssel verlässt.

Dieses EU-Begleitgesetz sorgt für eine Übergangsregelung, die nach fünf Jahren automatisch erlischt. Für diesen Zeitraum gelten Briten, die in Oberösterreich ihre zweite Heimat gefunden haben, weiter als EU-Bürger. Das Gesetz tritt nur dann in Kraft, wenn es kein Austrittsabkommen zwischen Großbritanniens und der EU gibt, wie Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) schon im Vorfeld des Landtagsbeschlusses klargestellt hat.

Oberösterreich ist nicht das einzige Bundesland, das besondere Vorkehrungen für ein harten Brexit trifft. Am 13. März werden die Landeshauptleute deswegen auch zu einer Sondersitzung der Konferenz der Landeshauptleute zusammengetrommelt. Treffpunkt ist das Wiener Rathaus, wo die Landeschefs mit Europaminister Gernot Blümel (ÖVP) Auswirkungen des Brexit beraten.

Im Reigen der Bundesländer wäre Oberösterreich wirtschaftlich besonders von einem ungeregelten EU-Austritt Großbritanniens betroffen. Es ist das Bundesland mit den meisten Ausfuhren von Waren auf die Insel. Dahinter folgt die Steiermark (siehe Grafik).

In der Steiermark, wo rund 1000 Briten leben, ist im Landtag ebenfalls ein EU-Begleitgesetz geplant, Betreiberin ist Europalandesrätin Barbara Eibinger-Miedl, die damit "größtmögliche Rechtssicherheit" für den Fall eines harten Brexit erreichen möchte. Die Umsetzung liegt in der Steiermark bei den Landtagsklubs, weil dort mit einem Initiativantrag das rechtzeitige Inkrafttreten der Notlösung nach der Entscheidung am 29. März sichergestellt werden soll. Damit soll für die Übergangszeit eine Schlechterstellung der Briten verhindert werden. Landesgesetze, wie etwa das Berufsrecht, sozialrechtliche Vorschriften oder auch im Bereich der Wohnbauförderung, würden sonst für Briten nicht mehr gelten.

Auch Tirol sorgt mit einem EU-Begleitgesetz für ein No-Deal-Szenario vor, wie Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) hervorgestrichen hat. Damit wird auch verhindert, dass jene der 1500 britischen Staatsbürger, die im Landesdienst, bei Gemeinden oder einem Gemeindeverband arbeiten, praktisch über Nacht ihr Dienstverhältnis verlieren. In Niederösterreich ist ein Brexit-Begleitgesetz erst in Arbeit.

Die Unklarheiten aufgrund des bisher beispiellosen drohenden Ausstiegs eines Mitgliedsstaates aus der EU bereitet nicht nur Österreichs Bundesregierung, sondern auch den Spitzenpolitikern auf Landesebene seit Monaten Kopfzerbrechen. Das hat der derzeitige turnusmäßige Vorsitzende der Konferenz der Landeshauptleute, Kärntens Landeschef Peter Kaiser (SPÖ) schon bei der Einladung zur außerordentlichen Tagung der Landeshauptleute am kommenden Mittwoch hervorgehoben: "Niemand weiß, wie es mit Großbritannien und der EU nach dem 29. März weitergeht." Es gehe um die Folgen eines geordneten, vor allem aber eines harten Ausstiegs aus der EU für jene knapp 25.000 Österreicher, die in Großbritannien leben und arbeiten, und um die Briten in Österreich. Es geht aber auch um fast schon alltägliche Dinge, wie die Auswirkungen für Schülereisen und EU-Austauschprogramme.

Daneben stehen bei dem Treffen vor allem auch die Folgen für das Wirtschafts- und Berufsleben im Mittelpunkt. Aus Ländersicht betrifft das insbesondere Fragen des Dienstrechts, aber auch des Grundverkehrs, des Sozialrechts wie bei der ohnehin heiklen Mindestscherung oder bei der Wohnbauförderung. Zu klären sind aber auch die Anerkennung von Berufsqualifikationen oder etwaige negative finanzielle Auswirkungen für Länder und Gemeinden aufgrund des Umstandes, dass mit Großbritannien ein Nettozahler aus der EU aussteigt.

Der Brexit - ein Blechschaden, aber das Vehikel fährt weiter

Was den Austausch von Waren betrifft, ist Großbritannien für Österreich der neuntwichtigste Handelspartner, bei Dienstleitungen steht das Königreich an fünfter Stelle. Heimische Unternehmen exportieren vor allem Maschinen und Anlagen - deswegen sind die Industriestandorte Oberösterreich und die Steiermark besonders betroffen. "Wir sind stärker in Großbritannien tätig als umgekehrt", sagt der Wirtschaftsdelegierte der WKO in London Christian Kesberg. Für betroffene Unternehmen sei der Brexit eine Herausforderung, "das kostet Geld, aber es gibt keine Indizien dafür, dass er uns existenziell bedroht". Die meisten seien aber gut vorbereitet. "Schwerer wird es für die Kleinen, die sporadisch und in kleinem Umfang nach Großbritannien liefern."

Eines ist klar: Der Brexit ist ein Verlustgeschäft - vor allem für die Briten, aber auch für die Mitgliedstaaten der EU. Insgesamt sieht Kesberg den Brexit als "Blechschaden". "Aber das Vehikel fährt weiter."