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Rauswurf oder nicht?

Von Martyna Czarnowska

Politik

Die Europäische Volkspartei berät über einen möglichen Ausschluss der ungarischen Regierungspartei Fidesz. Die Debatte stellt die Christdemokraten vor eine Zerreißprobe.


Budapest/Brüssel/Wien. Mit oder ohne Fidesz? Wenn der Vorstand der Europäischen Volkspartei (EVP) am heutigen Mittwoch in Brüssel zusammenkommt, stellt er sich diese Frage - soll die ungarische Regierungspartei weiterhin Teil der Christdemokraten im EU-Parlament sein? Oder soll es einen Ausschluss beziehungsweise eine Suspendierung der Mitgliedschaft geben?

In den vergangenen Monaten haben Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban und seine nationalkonservative Gruppierung die Geduld der EU-Kollegen durchaus strapaziert. Zum vom Kabinett in Budapest erzwungenen Umzug eines Teils der Zentraleuropäischen Universität (CEU) kamen antieuropäische und antisemitische Aussagen sowie Plakatkampagnen hinzu. Der EVP-Fraktionsvorsitzende und Spitzenkandidat für die Europawahl, Manfred Weber, reagierte darauf nach einigem Zögern und forderte dann eine Entschuldigung Orbans für die Plakataktion sowie den Verbleib der CEU in Budapest. Eine Entschuldigung per Brief kam tatsächlich - aber nur teilweise.

Da lag der Antrag auf den Ausschluss von Fidesz aus der EVP bereits vor. Dreizehn Mitgliedsparteien aus neun Staaten hatten ihn gestellt. In der Zwischenzeit hatten sich außerdem sowohl Weber als auch der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz von Orban distanziert, was beide lange Zeit vermeiden wollten. Nun soll die Angelegenheit in der großen Vorstandsrunde beraten werden. Denn die Voraussetzungen für eine solche Debatte sind mittlerweile erfüllt.

Abstimmung ungewiss

In den EVP-Statuten ist festgehalten: "Die Aussetzung der Mitgliedschaft und der Ausschluss eines Mitglieds können nur vom Vorstand beschlossen werden. Dieser muss seine Gründe nicht mitteilen. Ein Antrag auf Ausschluss eines Mitglieds kann nur vom Präsidium oder von sieben ordentlichen oder assoziierten Mitgliedsparteien aus fünf verschiedenen Ländern gestellt werden. Das Präsidium kann die betroffene Partei anhören."

Damit ist allerdings nicht gesagt, dass nun tatsächlich über einen Ausschluss von Fidesz abgestimmt wird. Ein Votum darüber kann verschoben werden, und auch eine Suspendierung der Mitgliedschaft kommt in Frage. Eine Entscheidung wird jedenfalls mit der absoluten Mehrheit der anwesenden Mitglieder gefällt.

Ob sich diese Anzahl von Befürwortern eines Rauswurfs der ungarischen Parteikollegen überhaupt finden würde, ist die nächste offene Frage. Insgesamt umfasst der EVP-Vorstand 264 Mitglieder, die alle gleich stimmberechtigt sind. Die dreizehn Parteien, die sich einen Ausschluss wünschen, stellen zusammen allerdings gerade einmal ein Sechstel der Delegierten.

Das ändert aber nur wenig daran, dass die Debatte um Orban und Fidesz die EVP vor eine Zerreißprobe stellt, auf die die Christdemokraten gut zwei Monate vor der Europawahl gern verzichtet hätten. Denn einerseits bildet Fidesz mit den elf Abgeordneten keineswegs die kleinste Gruppe in der Parteienfamilie mit ihren 217 Mitgliedern.

Auf der anderen Seite muss Fraktionsvorsitzender Weber durch die anhaltende Kritik an Fidesz Auswirkungen auf die gesamte EVP befürchten. Sollte Fidesz Teil der konservativen Fraktion bleiben, könnten andere Parteien diese aus Protest verlassen. Umgekehrt könnten wieder andere sich Fidesz anschließen, sollte die Gruppierung rausgeworfen werden.

Dennoch sei nun eine Entscheidung fällig, befand der Leiter der ÖVP-Delegation im EU-Parlament, Othmar Karas. "Man kann nicht zur Tagesordnung übergehen", sagte er der Austria Presseagentur. Karas ist ebenso wie EU-Kommissar und EVP-Vizepräsident Johannes Hahn sowie Kanzler Kurz als ÖVP-Parteichef automatisch Mitglied des Vorstands. Die Volkspartei kann drei weitere Delegierte nominieren. Jedoch können weder Kurz noch Karas an der Sitzung in Brüssel teilnehmen, weil sie Termine in Wien haben.

Ungarn wird übrigens auch in der kommenden Woche ein Thema für das EU-Parlament bleiben. Ein Ausschuss soll über weitere Schritte zur Prüfung der Rechtsstaatlichkeit in dem Land beraten. Eine entsprechende Resolution hat das Abgeordnetenhaus im September angenommen.