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Der neue rechtspopulistische Star

Von Alexander Dworzak

Politik

Thierry Baudets Forum für Demokratie gewinnt die Regionalwahl in den Niederlanden. Der 36-Jährige wettert gegen Eliten, Klimawandel sowie Migration - und gibt den Schöngeist.


Den Haag/Wien. An Selbstbewusstsein mangelt es Thierry Baudet nicht. Er bezeichnet sich als bedeutendsten Intellektuellen der Niederlande. Dazu passend pflegt der 36-Jährige seinen bildungsbürgerlichen Habitus. Er ließ sich einst auf seinem Flügel liegend ablichten, im Hintergrund ein Goethe-Porträt. Das hindert den promovierten Juristen jedoch nicht daran, das Lied gegen die "die da oben" anzustimmen.

"Wir werden unterminiert: durch unsere Universitäten, unsere Journalisten, durch Menschen, die unsere Kunstsubventionen erhalten und die unsere Gebäude entwerfen. Vor allem werden wir unterminiert durch unsere Lenker", sagte Baudet in der Nacht auf Donnerstag nach seinem bisher größten Erfolg. Bei der Regionalwahl wurde sein Forum für Demokratie (FvD) stärkste Partei und stellt mit 13 Mandaten um eines mehr als die rechtsliberale VVD von Premier Mark Rutte.

Aufstieg binnen drei Jahren

2015, als zuletzt die 75 Abgeordneten der Ersten Kammer, der Ländervertretung gewählt wurden, existierte das FvD noch nicht einmal. Ein Jahr später begann Thierry Baudets Aufstieg. Er initiierte mit einer zweiten Gruppierung eine Volksabstimmung gegen das Assoziierungsabkommen der EU mit der Ukraine. Die Niederländer lehnten den Vertrag zwar mehrheitlich ab. Da das Votum aber nicht bindend war, wurde das Abkommen leicht verändert im niederländischen Parlament verabschiedet.

Danach ging es bergab, 2017 erreichte er bei der Parlamentswahl nur 1,8 Prozent; FvD ist damit die kleinste der 13 Parteien in der Zweiten Kammer. Die Hauptrolle im Kampf gegen das vermeintliche Politkartell in Den Haag hatte damals noch Wilders inne. Sogar sein Wahlsieg stand im Raum. Rutte setzte sich stilistisch vom polternden Wilders ab, inhaltlich ging er insbesondere in der Migrationspolitik auf ihn zu - und siegte klar. Aufgrund der zersplitterten Parteienlandschaft muss der Premier jedoch eine Vier-Parteien-Koalition bändigen. Unter den Partnern ist auch die linksliberale D66, wodurch Ruttes Kurs verwässert wird.

So auch bei Migration und Integration. Diese Lücke versteht Baudet zu schließen, dazu spielte ihm das Attentat in Utrecht in die Hände. Er machte die Regierung für die drei Toten vom Montag verantwortlich. Der mutmaßliche Mörder, der türkischstämmige Gökmen T., soll sich laut Staatsanwaltschaft wegen mehrfachen Mordes mit terroristischem Motiv verantworten. Nach der Tat stellten die Parteien den Wahlkampf ein, Baudet aber suchte die öffentliche Bühne und stand im Zentrum der Aufmerksamkeit. Elf Prozent der Bürger gaben an, das Attentat hätte ihre Wahlentscheidung beeinflusst, berichtete der niederländische Rundfunk NOS.

"Ich will, dass Europa dominant weiß und kulturell bleibt, so wie es ist", sagt Thierry Henri Philippe Baudet, der neben französischen auch Wurzeln in der alten Kolonie Indonesien hat. Ebenso meint er, dass Immigration für die "homöopathische Verdünnung des niederländischen Volkes" sorge. Treffen mit dem französischen Rassisten Jean-Marie Le Pen oder Milo Yiannopoulos, dem Hofnarren der Alt-Right-Bewegung in den USA, erklärt Baudet als seine Pflicht, mit Personen aus allen Lagern zu sprechen.

Raus aus der EU

Nicht so gerne redet der FvD-Chef dieser Tage über sein Verhältnis zur EU. Wie Wilders befürwortet Baudet ein Votum über den "Nexit", den Austritt aus der Union. Die Niederländer schrecken davor ob der Verhandlungskatastrophe im eng mit dem Land verbunden Großbritannien zurück. Knapp drei Viertel der Niederländer sind für den EU-Verbleib.

Umso häufiger meldet sich Baudet zu Wort, wenn es gegen das Pariser Klimaabkommen geht und die menschengemachte Erderwärmung. Bis zum Attentat in Utrecht war Umweltpolitik auch das bestimmende Thema der Regionalwahl. Davon profitiere beim Urnengang die Öko-Partei GroenLinks, die von vier auf neun Mandate zulegen konnte.

Bei GroenLinks, aber auch den Sozialdemokraten könnte nun Premier Rutte anklopfen, da dessen Viererbündnis in der Ersten Kammer nicht mehr über die Mehrheit verfügt. Bereits Ruttes vorigem Kabinett passierte das, die Koalition hielt aber bis zum Ende der Wahlperiode.

Dem Premier steht in zwei Monaten die Europawahl ins Haus. Der musikalische Thierry Baudet wird wieder das Lied gegen die Eliten anstimmen. Die sitzen dann eben in Brüssel.