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Untersuchung durch Brüssel?

Von Thomas Seifert

Politik

SPÖ und Grüne fordern nach Ungereimtheiten bei Parteispenden aus dem Umfeld von Barbara Kolm Konsequenzen.


Wien/Brüssel. Die Enthüllungen der "Wiener Zeitung" über merkwürdige, ungewöhnlich hohe, Parteispenden aus Österreich an eine konservative Parteienallianz in Brüssel haben zum Teil heftige Reaktionen ausgelöst: SPÖ-Finanzsprecher Jan Krainer fordert ÖVP-Kanzler Sebastian Kurz und FPÖ-Vizekanzler Heinz-Christian Strache auf, "welche die Leiterin des FPÖ-nahen Hayek-Instituts im September zur OeNB-Vizepräsidentin gemacht haben", umgehend wieder abzuberufen. Krainer: "Die Vizepräsidentin der Oesterreichischen Nationalbank finanziert die Kräfte, die Europa spalten und zerstören wollen. Das wichtigste Asset der Nationalbank ist ihr guter Ruf und ihre Unabhängigkeit. Es wäre extrem fahrlässig von der Regierung, hier nicht sofort zu reagieren", sagte Krainer. "Der Vorgang wirkt auf mich so, dass die Gesamtsumme von 88.000 Euro aufgeteilt wurde auf Strohmänner und -frauen, um die wahre Herkunft des Geldes zu verschleiern. Es ist untragbar, dass die Vizepräsidentin der OeNB in solche dubiose Geldflüsse involviert zu sein scheint."

Keine Reaktion der Nationalbank

Bei der Oesterreichischen Nationalbank gab man sich auf Anfrage der auf Wirtschaftsberichterstattung spezialisierten US-Nachrichtenagentur Bloomberg zugeknöpft: Ein Sprecher sagte zu Bloomberg, es handle sich bei der Causa um eine "Privatangelegenheit", die mit der Nationalbank nichts zu tun habe. Bloomberg versuchte auch die wichtigsten Begünstigten der Spenden, die britischen Konservativen sowie die polnische PiS-Partei zu erreichen - jedoch ohne Erfolg.

Nach Recherchen der "Wiener Zeitung" gingen im Jahr 2018 insgesamt 88.000 Euro von fünf Spendern aus Österreich an die Allianz der Konservativen und Reformer in Europa (Acre). Gemein ist diesen Großspendern, dass sie alle in einer Nahe-Beziehung zur Vizepräsidentin der Oesterreichischen Nationalbank, Aufsichtsrätin der ÖBB Holding AG und ÖBB Infrastruktur AG sowie Unirätin der WU Wien, Barbara Kolm, beziehungsweise deren Firmen oder Vereinen stehen. Kolm ist Geschäftsführerin in mehreren Unternehmen der Triple-A-Group (einer der Großspender: 18.000 Euro) sowie des Hayek-Instituts und des Austrian Economic Center - zwei Thinktanks, die sich für stramm wirtschaftsliberale Ideen stark machen.

Eine weitere Spenderin ist Ingrid Kolm, Mutter von Barbara Kolm, zwei weitere Spenderinnen sind Rechnungsprüferinnen des Centers. Die eine ist Eva Maria Berger (Spende von 18.000 Euro), die in Wien und den USA eine Filmproduktionsfirma besitzt, die zweite ist Ursula Schäff (sie spendete 2018 16.000 Euro). Sie ist nach Recherchen des ORF der Familie Schäff zuzuordnen: "Eine verschachtelte Getränke-Dynastie, ein undurchsichtiges Konglomerat von Firmen im In- und Ausland. (...) Geschäftliche Schäff-Spuren weisen kreuz und quer in alle Richtungen und einige versanden am Ende in der steuergünstigen Schweiz, bei Treuhändern im Kanton Appenzell", schrieb die "Süddeutsche Zeitung" im Jahr 2016.

Und schließlich war 2018 Peter Takacs ein weiterer Großspender (18.000 Euro), der nach einem Bericht der "Presse" im Jahr 2009 wegen angeblichen Unregelmäßigkeiten bei Spesen-Abrechnungen, auf die die Innenrevision gestoßen ist, zurückgetreten musste und der nun bei Kolms Triple-A tätig ist.

Barbara Kolm reagierte am Freitag nicht auf weitere Kontaktversuche der "Wiener Zeitung", weder am Telefon, noch per E-Mail, hatte aber am Donnerstag nach Recherchen der "Wiener Zeitung" angegeben, dass Spenden an Acre wie an alle anderen politischen Parteien legitim seien. Auf die Frage: "18.000 Euro Privatspende, ist das nicht eine recht hohe Summe für eine Privatperson?", antwortete Kolm: "Jeder Cent, der gespendet wird, ist viel." Nachsatz: "Es ist ja nichts ehrenrühriges daran, wenn man etwas spendet." Kolm betonte, dass alle Spenden aus privaten Mitteln stammen würden.

Der grüne Europa-Abgeordnete Michel Reimon weist in einem Gespräch mit der "Wiener Zeitung" auf einen Umstand hin, der seiner Meinung nach erhellt, warum 2018 eine Summe von insgesamt 88.000 Euro aus Österreich an die Acre gespendet wurde: "Europäische Parteien werden zum größten Teil aus öffentlichen Förderungen finanziert, aber es gibt einen wesentlichen Unterschied zum österreichischen System: Um die öffentlichen Mittel auslösen zu können, müssen sie 10 Prozent Eigenfinanzierung auftreiben. Das ist der Acre zum Beispiel 2017 nicht in voller Höhe gelungen, wie ihr Rechenschaftsbericht zeigt." Tatsächlich: Die Parteienallianz hatte laut den öffentlich einsehbaren Unterlagen Anspruch auf 2,75 Millionen Euro an Parteienförderung, es ist der Acre aber nicht gelungen, die erforderlichen 275.000 Euro aus eigenen Mitteln zur Verfügung zu stellen. So konnte die Acre im Jahr 2017 nur 2,15 Millionen Euro an Förderungen erlösen - und musste auf 600.000 Euro Förderungen verzichten, die sie nicht beheben konnte, weil die nötigen Privaten Spenden fehlten. "Die Spenden aus Österreich", so Reimon, "schufen einen Hebel, damit das im Jahr 2018 nicht so leicht nochmal passiert. 88.000 EUR Spenden erlaubten, insgesamt 880.000 auszulösen."

Behörde APPF prüft den Fall

Nach Reimons politischer Einschätzung sei ein weiteres Faktum relevant: "Die Acre/ECR-Fraktion wird es nächsten Europaparlament wohl nicht mehr geben." Tatsächlich sucht die polnische PiS nach dem Brexit neue Partner. FPÖ-Generalsekretär und EU-Spitzenkandidat Harald Vilimsky zimmert bereits seit einiger Zeit an einer rechtsnationalen Allianz, in der die PiS eine wichtige Rolle spielen könnte. Das Gezerre um einen möglichen Ausschluss der ungarischen Fidesz aus der Konservativen EVP-Familie (zu der auch die ÖVP und die CDU gehört) ist vor diesem Hintergrund zu sehen. Denn auch Fidesz-Parteichef Viktor Orban wird nachgesagt, dass er damit liebäugelt, sich einer solchen Allianz anzuschließen.

Nach jüngsten Recherchen der "Wiener Zeitung" lassen sich die Zahlungen aus Österreich an die Acre auch ins Jahr 2017 zurückverfolgen. Das Barbara Kolm zuordenbare Triple-A-Analytics-Institut taucht wieder in den Spendenunterlagen der Allianz der Konservativen und Reformer auf. Insgesamt 12.000 Euro flossen 2017 von den Konten der Triple-A-Analytics auf das Konto der Acre. Und es befanden sich auch wieder Personen aus dem Umfeld von Barabara Kolm im Spenderkreis der Acre. Ursula Schäff (Rechnungsprüferin beim Austrian Economic Center) spendete 2017 12.000 Euro, der aus Südtirol stammende Johannes Oberrauch - er sitzt im Vorstand des Austrian Economic Center - spendete 12.000 Euro, Hans Georg Mustafa - er betreibt ein medizinisch-chemisches Labor in Salzburg - spendete ebenfalls 12.000 Euro an die Acre. Unter den insgesamt 23 Spendern an diese politische Allianz waren im Jahr 2017 fünf Konto-Eingänge aus dem Umfeld von Kolm zu verzeichnen.

Spannend wird die Frage, wie die Brüsseler Behörde Authority for European Political Parties and European Political Foundations (APPF) an den Fall herangeht: Aufgabe der Behörde ist es, dafür zu sorgen, dass die EU-Verordnung 1141/2014, die unter anderem Parteispenden an die politischen Gruppierungen regelt, eingehalten wird. Diese Brüsseler Behörde hat gegenüber dem Grün-Abgeordneten Michel Reimon angekündigt, den Fall zu untersuchen.