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Liechtenstein: Mit sich und Europa im Reinen

Von Walter Hämmerle

Politik
 Liechtenstein ist der sechstkleinste Staat der Erde.
© Getty Images/EyeEm

Lieber nah dabei als mittendrin: Liechtenstein feiert heuer seinen 300. Geburtstag. Außenministerin Aurelia Frick im Interview.


Wien/Vaduz. Zum ausgedehnten Reich der Habsburger, in dem einst die Sonne nicht unterging, gehörte bis zum Ende des 17. Jahrhunderts auch eine Handvoll Gemeinden am Alpenrhein. Wie so oft war es das Unvermögen, mit den bestehenden Einnahmen das Auskommen zu finden, das die Grafen von Hohenems zum Verkauf zwang. Das Haus Liechtenstein, eines der ältesten Adelsgeschlechter Europas mit Wurzeln in Ostösterreich und starker Verankerung in Böhmen, griff 1699 und 1712 zu. Per Dekret erklärte 1719 Kaiser Karl VI. das Gebiet zum Reichsfürstentum.

Heute zählt der Zwergstaat zwischen Vorarlberg und der Ostschweiz zu den erfolgreichsten Ländern der Welt. Dank starker Industrie und diskreter Finanzdienstleister gibt es mehr Jobs als Einwohner. Landeswährung ist der Schweizer Franken; mit der EU ist Vaduz über den Europäischen Wirtschaftsraum und Schengen eng verknüpft. Staatsoberhaupt ist nominell Fürst Hans Adam II. (74), die Tagesgeschäfte führt seit 2004 Erbprinz Alois (50). Das letzte Wort liegt, eine Anomalie im heutigen Europa, bei allen wichtigen Fragen beim Fürsten. Die Verbindungen zu Österreich sind nicht nur historisch eng; neben diversen Palais in Wien, ist die Fürstenfamilie im nördlichen Weinviertel bis heute ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Nicht zuletzt wegen des Weins.

Die "Wiener Zeitung" traf Aurelia Frick (43), die Ministerin für Äußeres, Justiz und Kultur, zum Gespräch. Die promovierte Juristin arbeitete zuvor in Zürich und London.

"Wiener Zeitung": Frau Außenministerin, Liechtenstein feiert heuer seinen 300. Geburtstag. Trauen Sie sich eine Einschätzung zu, wie sich Ihr Land in den 50 Jahren verändert haben wird?

Aurelia Frick: Das ist angesichts der großen Veränderungen, die nicht nur Europa, sondern auch die Welt umtreiben, eine schwere Frage. Alles bewegt sich, ist im Fluss. Deshalb kann ich nur eines mit Überzeugung sagen: Liechtenstein wird auch noch in fünf Jahrzehnten auf die Kraft von Bündnissen und Kooperation setzen und nicht auf Alleingänge. Die eigene Geschichte zeigt uns, dass dies die richtige Strategie für eine gute Zukunft ist. Zudem glauben wir, dass internationale Bündnisse unsere Souveränität nicht beschränken, sondern stärken.

Apropos Souveränität: Gerade im deutschsprachigen Raum betrachten manche den Nationalstaat als überholt und propagieren eine föderale Republik Europa. Wie sehr hängen die Liechtensteiner an ihrem Nationalstaat?

Wir haben 300 Jahre in den gleichen Staatsgrenzen überlebt, das ist nur wenigen anderen Ländern gelungen. Deshalb macht für uns einen starken Nationalstaat aus, wenn wir eingebunden sind und über Plattformen mit anderen in einer Form kooperieren, in der Argumente und nicht Macht den Ausschlag geben. Voraussetzung ist aber, dass unsere eigenen Institutionen funktionieren, um unsere Interessen zu definieren.

Ist ein EU-Beitritt in absehbarer Zukunft überhaupt vorstellbar?

Mit der Mitgliedschaft im Europäischen Wirtschaftsraum setzen wir auf eine sehr unaufgeregte Europa-Politik, die gut zu uns passt, unseren Interessen entspricht. Deshalb diskutieren wir auch nicht ständig, ob wir mehr oder weniger Integration benötigen. Wie es ist, passt für uns sehr gut.

Sie kennen die EU aus großer Nähe, wollen aber kein Mitglied werden: Was ist denn der größte Nachteil einer Mitgliedschaft?

Ich will nicht von Nachteilen reden. Für uns ist der größte Vorteil, dass wir Teil des Binnenmarkts sind. Die Frage einer EU-Mitgliedschaft stellt sich für uns derzeit nicht. Eine eigenständige Außenpolitik ist für ein kleines Land wichtig. Es ist für uns wertvoll, in das Wertegerüst Europas eingebunden zu sein.

2017 gab es in Liechtenstein 19 abgeschlossene Asylverfahren, davon neun positiv. Die Aufnahme von Flüchtlingen ist in der EU ein so großes wie umstrittenes Thema. Könnte Liechtenstein noch mehr Asylwerber aufnehmen?

Wer an unsere Tür klopft und anerkennungswürdige Gründe hat, erhält den Flüchtlingsstatus. Meine ganz persönliche Meinung ist: Wenn sich die EU auf eine Quote einigt, sollten wir uns beteiligen.

Letzte Frage: Können Sie sich ein Liechtenstein ohne Fürsten, ohne Fürstin vorstellen?

Als jemand, der in einem Fürstentum aufgewachsen ist, nicht.