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Vereint gegen den "Albtraum Europa"

Von Ronald Schönhuber

Politik

Mit einem neuen rechtspopulistischen Bündnis will Lega-Chef Matteo Salvini die bisherigen Großparteien bei der EU-Wahl das Fürchten lehren. Jenseits der beiden Leitthemen Migration und EU-Skepsis gibt es aber wenig Gemeinsames.


Rom/Wien. Dass das große gemeinsame Ziel zwar schnell beschworen, aber tatsächlich schwer umzusetzen ist, haben Europas Rechstpopulisten in den vergangenen 15 Jahren mehr als einmal schmerzlich zu spüren bekommen. Bereits 2004 bemühte sich Andreas Mölzer, nachdem er für die FPÖ ins Europaparlament eingezogen war, um die Bildung einer rechtspopulistischen Fraktion. Der damaligen Kerngruppe, zu der neben der FPÖ auch die italienische Lega Nord und der niederländische Vlaams Blok gehörten, gelang es trotz intensiver Suche aber nicht, genügend passende und auch willige Partner zu finden. So wollte sich die populistische polnische Bauernpartei Samoobrona mit dem französischen Front National trotz aller Bemühungen nicht und nicht zusammenspannen lassen. Ähnliche Probleme verhinderten auch noch nach den EU-Wahlen 2014 die Bildung einer rechtspopulitischen Fraktion, ehe schließlich im Jahr darauf doch noch ein entsprechendes Bündnis geschmiedet werden konnte.

Mit AfD und FPÖ

Probleme mit der Partnersuche gibt es in dieser Form heute keine mehr. Denn die anhaltende Serie von Wahlerfolgen hat Lega-Chef Matteo Salvini zur neuen Galionsfigur der europäischen Rechtspopulisten gemacht, von denen viele hoffen, im Windschatten des italienischen Innenministers ebenfalls deutlich in der Wählergunst zulegen zu können. So gehören der "Europäischen Allianz der Völker und Nationen", die Salvini nun knapp sechs Wochen vor der EU-Wahl präsentiert hat, zumindest fünf weitere Parteien fix an, darunter die FPÖ, die deutsche AfD und der Rassemblement National um die französische Rechtspopulistin Marine Le Pen. Zumindest vier oder fünf weitere Parteien, so hofft Salvini, werden noch dazukommen. "Unser Ziel ist es, die EU-Wahl zu gewinnen und die Regeln Europas zu ändern. Andere Parteien werden sich zu uns gesellen", sagte er am Montag bei der Vorstellung des Wahlbündnisses in Mailand.

Hoffen dürfte der italienische Vizepremier dabei vor allem auf eine mögliche Verstärkung durch die Fidesz-Partei von Viktor Orban, deren Mitgliedschaft in der Europäischen Volkspartei (EVP) vor knapp drei Wochen wegen Streitigkeiten um den zunehmend autoritären Kurs des ungarischen Premiers suspendiert worden ist. Dass die derzeit noch laufenden Gespräche mit der Fidesz von Erfolg gekrönt sein werden, ist aber relativ unwahrscheinlich. Denn ebenso wie die nationalkonservative polnische PiS hat auch die ungarische Regierungspartei bisher eher unterkühlt auf die Annäherungsversuche Salvinis reagiert.

Verdoppelung der Mandate

Doch selbst ohne die beiden osteuropäischen Parteien, die Salvinis Bündnis mit ihrer hohen Anzahl an Mandaten noch mehr Schlagkraft verleihen würden, dürfte die "Europäische Allianz der Völker und Nationen" bei der Wahl Ende Mai stark abschneiden. So gehen die Prognosen davon aus, dass die Rechtspopulisten knapp 60 Mandate erobern können. Sollten die Briten noch an der Europa-Wahl teilnehmen, scheinen sogar mehr als 70 Abgeordnetensitze möglich. Verglichen mit jenen 36 Mandaten, die das Vorgängerbündnis ENF 2014 gewinnen konnte, käme das einer Verdoppelung gleich. "Es gibt eine wachsende Bereitschaft der Wähler außerhalb der Norm abzustimmen", sagt Susi Dennison vom European Council on Foreign Relations gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters.

Programmatisch setzen Salvini und seine Mitstreiter freilich aber auf Altbewährtes. "Wir müssen eine europäische Festung sein, wo wir selber beschließen, wer kommen darf und wer nicht", sagte AfD-Chef und EU-Spitzenkandidat Jörg Meuthen bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit Salvini. Der italienische Innenminister, der von Europas Rechtspopulisten seit Monaten für seinen strikten Anti-Immigrationskurs gefeiert wird, nahm dagegen vor allem die EU selbst ins Visier. Mit ihrer Bürokratie und ihrem reinen Wirtschaftsdenken sei diese "zu einem Albtraum für die Bürger" geworden, sagte Salvini, der sich schon in der Vergangenheit immer wieder dafür ausgesprochen hatte, den Mitgliedstaaten wieder mehr Macht zu geben.

Ob die in Mailand gerade so demonstrativ gezeigte Einigkeit von Dauer ist, scheint allerdings fraglich. Denn mit Marine Le Pen und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache haben nicht nur zwei wesentliche Protagonisten das Treffen in der italienischen Wirtschaftsmetropole ausgelassen. Jenseits der beiden großen Leitthemen Migration und EU-Skepsis könnten Europas Rechtspopulisten auch schon bald von den Problemen und Streitereien der Vergangenheit eingeholt werden. So gibt es in der "Europäische Allianz der Völker und Nationen" etwa kaum ein gemeinsames Verständnis über den wirtschaftspolitischen Kurs: Der deutschen AfD ist die Überschuldung Italiens ein Dorn im Auge, Salvini wollte dagegen das Budgetdefizit noch einmal deutlich erhöhen. Ähnlich gravierende Unterschiede gibt es auch in der Außenpolitik. So hat der italienische Innenminister seine Sympathie für Kreml-
Chef Wladimir Putin immer wieder offen gezeigt, die Rechtspopulisten im Norden betrachten Russland dagegen als strategischen Gegner.