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Petro Poroschenko spielt die nationale Karte

Von Gerhard Lechner

Politik

Der ukrainische Staatschef liegt in Umfragen zur Präsidentenwahl weit hinter seinem Rivalen Wolodymyr Selenskyj. Um aufzuholen, setzt er auf Patriotismus - und rückt seinen Gegenkandidaten in die Nähe des Kremls.


Kiew. Petro Poroschenko fährt im Finale des ukrainischen Präsidentschaftswahlkampfs schweres Geschütz auf: "Am 21. April. Die entscheidende Wahl" steht auf einem Plakat geschrieben, das den Kopf den ukrainischen Staatschefs im Profil zeigt - und neben ihm, Stirn an Stirn im Sinne eines Duells, den Rivalen.

Es ist freilich nicht das Gesicht des immer jugendlich und sympathisch wirkenden Herausforderers Wolodymyr Selenskyj, das das Plakat ziert. Sondern das bekannte Konterfei des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Die Botschaft, die der ukrainische Präsident aussenden will, ist klar: Wer Selenskyj wählt, wählt letztlich Putin. Der Komiker, der den amtierenden Staatschef in der ersten Runde der ukrainischen Präsidentenwahl so eindrucksvoll distanziert hat, sei nur eine Marionette des Kremls.

Ob Poroschenko mit einer solchen Strategie Erfolg haben wird, ob er damit seinen enormen Rückstand auf den Kabarettisten Selenskyj aufholen kann, ist fraglich. Statt gegen den politisch komplett unerfahrenen Komiker die Aura des arrivierten Polit-Profis auszuspielen, setzt Poroschenkos Wahlkampfteam auf Polarisierung, auf ostentativen Patriotismus gegen den russischsprachigen Selenskyj - eine Strategie, die bis dato nicht aufgegangen ist: Einer neuen Umfrage des ukrainischen Instituts Ratinggroup zufolge kommt der Schauspieler in der Stichwahl auf mehr als 71 Prozent der Stimmen. Poroschenko bliebe derzeit unter 30 Prozent.

Zwar haben sich knapp 20 Prozent der Ukrainer noch nicht entschlossen, wem sie am 21. April, dem (katholischen) Ostersonntag, die Stimme geben werden. Die Wahrscheinlichkeit, dass Poroschenko das Ruder herumreißen kann, ist aber extrem gering. Nur in Galizien, im national orientierten äußersten Westen des Landes, hatte Poroschenko im ersten Wahlgang die Nase vor Selenskyj. Um seinen Rückstand aufzuholen, bräuchte er wohl auch die Unterstützung einiger ausgeschiedener Kandidaten. Allein: Die hat er nicht. Selbst Ex-Verteidigungsminister Anatoli Hryzenko - ein Kandidat, der Poroschenko ideologisch nahestehen müsste - erklärte öffentlich, den Präsidenten nicht wählen zu wollen und Selenskyj zu unterstützen, wenn der ein gutes Team vorstellt.

Poroschenkos Hoffnungen konzentrieren sich deshalb auf ein TV-Duell, das knapp vor der Wahl im Kiewer Olympijskij-Fußballstadion stattfinden soll. Die Unterstützer des Präsidenten setzen darauf, dass der Polit-Profi Poroschenko den unerfahrenen Selenskyj, den man auch "Teflon-Kandidat" nennt, entzaubern kann. Selenskyj ist freilich ein Medienprofi durch und durch, der den Präsidenten vor laufenden Kameras ebenfalls in Schwierigkeiten bringen könnte.

Inzwischen nimmt der Wahlkampf, der vor allem als eine Art Fernduell über Facebook und YouTube-Videos ausgetragen wird, mehr und mehr skurrile Züge an. So ließen sich kürzlich beide Kandidaten vor laufenden Kameras Blut abnehmen, um ihre Fitness für das erste Amt im Staat zu demonstrieren und gezielt gestreuten Gerüchten der Gegenseite, man würde Drogen oder Alkohol konsumieren, entgegenzutreten.

Poroschenko platzt in Talkshow

Am Donnerstag platzte dann Poroschenko ohne Einladung in eine Talkshow des Senders "1+1", der seinen Herausforderer unterstützt. Der Präsident forderte Selenskyj auf, ins Studio zu kommen. Der befand sich allerdings, wie er telefonisch mitteilte, bereits in Paris, wo er am Freitag mit Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron zusammentraf. Auch Poroschenko traf Macron noch am selben Tag - nachdem er der deutschen Kanzlerin Angela Merkel einen Besuch abstattete.

Doch auch der außenpolitische Gesprächsmarathon dürfte Poroschenko nicht mehr sonderlich helfen. Ukrainischen Beobachtern zufolge geht es nicht mehr so sehr darum, wer Präsident wird - der Vorsprung Selenskyjs, heißt es, sei einfach zu groß. Die Frage sei allerdings, ob es Poroschenko gelingt, den Abstand zu seinem Gegenkandidaten zu verkürzen, etwa auf zumindest 20 Prozent oder weniger. In diesem Fall würde Poroschenko wohl in Opposition gehen und weiter ein bedeutender Faktor in der ukrainischen Politik bleiben - etwa bei den Parlamentswahlen im Herbst. Eine krachende Niederlage hingegen würde wohl Poroschenkos Ende als Politiker bedeuten.

Selenskyjs Team soll sich dem Vernehmen nach bereits weniger um die Wahlschlacht als um die Zeit danach kümmern. In letzter Zeit haben Maidan-Reformer wie der Journalist und Politiker Serhij Leschtschenko, zuvor Abgeordneter im "Block Petro Poroschenko", bei Selenskyj angedockt. Nun gilt es, Kandidaten für die wichtigsten Posten, die laut Verfassung vom Präsidenten bestimmt werden, zu finden. Gerüchten zufolge wird etwa Ex-Finanzminister Oleksandr Danyljuk, ein Reformer, als Außenminister gehandelt.

Kandidatin Kövesi?

Ein Posten ist für Selenskyj, der als Korruptionsbekämpfer angetreten ist, besonders wichtig: der des Generalstaatsanwalts. Dafür sollen zwei Frauen im Gespräch sein: Marta Borsch, eine US-Amerikanerin mit ukrainischen Wurzeln, die einen hohen Posten in der US-Generalstaatsanwaltschaft innehatte. Und Laura Kövesi, jene rumänische Juristin, die sich in Rumänien als eiserne Korruptionsbekämpferin gegen alle Widerstände einen Namen gemacht hat.