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Unten gegen oben in Spanien

Von WZ-Korrespondentin Maren Häußermann

Politik

Obwohl es viele Parteien gibt, haben die Spanier bei den Wahlen am 28. April nur zwei Optionen: Rechts oder Links. In Madrid bestimmt der Wohnort den Stimmzettel: ein Besuch im Arbeiterviertel Vallecas und im wohlhabenden Salamanca.


Madrid. Er hat den Stier so schön getötet, dass die Besucher eine Ehrenrunde fordern. Mit seiner Stierkämpferkappe grüßt Juan Ortega die rund 8000 Madrilenen, als er an ihnen vorbeischreitet. Der 28-jährige Torero trägt eine schwarz-graue Jacke, die auf Höhe des Bauchnabels endet. Die enge Hose bedeckt die Knie, seine Waden stecken in roten Strümpfen, seine Füße in schwarzen, eleganten Schuhen. Ortega verkörpert eine spanische Tradition.

Zurück zur Tradition - das ist es, was die rechte Partei Vox will. Der 84-jährige Pepe wird sie wählen. Er sagt: "Frauen haben eine sehr wichtige Mission im Leben", und: "Spanien ist eine Einheit", und er sagt, unter Franco war die wirtschaftliche Lage besser.

Pepe kommt aus Cádiz in Andalusien, wo Vox es schon ins Parlament geschafft hat und eine Minderheitsregierung des konservativen Partido Popular (PP) mit den liberalen Ciudadanos (Cs) unterstützt. Am kommenden Sonntag, den 28. April, entscheiden die Spanier, ob sie so eine Kooperation auch auf nationaler Ebene wollen.

Sakkos und Perlenohrringe

Sakkos, Mokassins, Perlenohrringe, Parfüm. Mit diesen Insignien ausgerüstet versammeln sich die PP-Unterstützer an einem bewölkten Nachmittag in Salamanca, dem äußerst wohlhabenden Madrider Stadtviertel östlich des Zentrums. Vor einem kleinen Podest tanzen sie zu lauter Musik. Ein asiatischer Tourist schunkelt im Takt, während er die pompöse Stierkampfarena im Hintergrund fotografiert. Die 28-jährige Ilona ist ebenfalls zur PP-Veranstaltung gekommen. Sie weiß, dass sie zum rechten Block gehört, wenn sie ihre Stimme den Konservativen gibt. Denn den Prognosen zufolge gibt es nur zwei Optionen: Die künftige Regierung folgt dem andalusischen Modell oder sie wird von einem Bündnis des sozialdemokratischen PSOE mit der linken Podemos und der Unterstützung von Regionalparteien gestellt.

Diese zweite Option will Ilona nicht. Sie ist unzufrieden mit der aktuellen, linksgerichteten PSOE-Regierung und will, dass man sich wieder auf wichtigere Dinge konzentriert als etwa auf gendergerechte Sprache: "Die Einstellung zur Gleichberechtigung beginnt doch im Kopf, nicht beim Vokabular."

Laut einer im Februar veröffentlichten Umfrage des öffentlichen Zentrums für Sozialstudien CIS sagen knapp 25 Prozent der Befragten, dass der PP die Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen aufhält. PP-Spitzenkandidat Pablo Casado hat ein Gesetz angekündigt, das Frauen dazu ermutigen soll, Mütter zu werden - auch durch finanzielle Entlastungen.

Krise ist noch zu spüren

Im Bezirk Salamanca leben die traditionellen Familien und die gehobene Mittelschicht, wie die PP-Wahlkampfhelfer es formulieren. Die Calle Serrano gilt als zweitteuerste Straße Spaniens, der Quadratmeterpreis für Mietwohnungen liegt bei durchschnittlich 35 Euro kalt. Die Fassaden sind unbefleckt, auf den kleinen Balkonen stehen Blumentöpfe vor weißen Fensterläden. Darunter reihen sich Luxusboutiquen.

Judith (45) und Monica (47) schauen ihren Kindern beim Spielen zu. Auch sie werden den PP wählen. Ihnen ist eine nachhaltige Wirtschaftspolitik am wichtigsten. "Die Krise ist noch immer zu spüren. Wir brauchen unbefristete Arbeitsverträge und für Arbeitslose müssen Stellen geschaffen werden. Es reicht nicht, einfach nur Geld zu geben." Spanien hat mit fast 14 Prozent die höchste Arbeitslosenquote in der EU, nach Griechenland.

Damit haben die Wähler der PP und der liberalen Cs ein gemeinsames Interesse. Ein weiteres Thema, das sie eint, ist die Katalonien-Frage. Die Cs-Wähler wollen diese geklärt haben. Der Spitzenkandidat Albert Rivera hat eine Zusammenarbeit mit den linken Parteien ausgeschlossen und sich damit auf die rechte Seite geschlagen. Für Katalonien würde diese Regierungskoalition eine weitere Konfrontation bedeuten.

Ilona sagt, sie habe Angst vor den Extremen. Sowohl vor den Rechten als auch vor den Linken. Auch die Wähler der Cs tun sich schwer mit der Wahl. Sie verstehen sich als Mitte und hoffen darauf, dass sich Vox durch den Einfluss der anderen zwei Parteien mäßigt.

Ein Ausreißer in Salamanca ist der 55-jährige José, der genau wie Pepe aus Andalusien kommt. "Ich wähle gleich links."

Damit ist José auf einer Linie mit einem ganz anderen Viertel in Madrid, weiter südlich.

"Weil wir arm sind!"

Die Straße im Arbeiterviertel Vallecas (bestehend aus Villa de Vallecas und Puente de Vallecas) ist gesäumt von Laternen, an denen das Konterfei von Pedro Sánchez, dem amtierenden Premierminister des PSOE im Wind flattert. Dazwischen rote PSOE-Banner oder auch welche in Lila, von der linkspopulistischen Partei Podemos. Noch nie hat in Puente de Vallecas eine bürgerliche oder konservative Partei gesiegt.

"Weil wir arm sind", ruft eine Seniorin, die sich mit ihrer Freundin vor einer regenbogenfarbenen Parkbank vor dem Gebäude der Bezirksverwaltung unterhält. Sie sei unweit von hier geboren, erklärt sie und zeigt in die Richtung der nämlichen Straße.

Die Häuser sind bemalt, mal mehr, mal weniger kunstvoll, an den Balkonen hängt Wäsche an der Leine. Vallecas ist ein Arbeiterviertel, die Leute haben wenig Geld und leben bescheiden. Das sagt fast jeder, als gehörte der Satz zur Identität.

Zwei Männer trinken Bier unter einem PSOE-Banner. Eine getigerte Katze läuft über den Platz. Aus einem offenen Autofenster dröhnt lateinamerikanische Musik. "Wir haben viele Migranten hier und auch homosexuelle Paare", erklärt der 43-jährige Carlos in seinem Blumenladen. "Sie werden niemals rechts wählen, weil diese Parteien sie nicht beschützen." Er selbst wird PSOE wählen, obwohl die Partei ihm nicht links genug ist. "Aber sie hat mehr Chancen auf Stimmen und kann damit den Rechten die Stirn bieten", sagt Carlos.

Der 62-jährige Ángel ist seit zehn Jahren arbeitslos. Er sagt, er lebe schlecht, aber besser als vor einem Jahr, weil er jetzt immerhin 633 Euro Unterstützung bekomme, fast 200 Euro mehr als unter der letzten PP-Regierung, die 2018 per Misstrauensvotum aus dem Amt gejagt wurde. Ángel ist überzeugt, dass in Vallecas die linke Podemos gewinnen wird.

"Es ist der klassische Kampf zwischen unten und oben", sagt ein Andalusier, der hier wohnt, desillusioniert. "Im Grunde hat der Kapitalismus die Ideale gefressen. Egal ob Links oder Rechts gewinnt, das wird nicht viel an der Politik ändern."