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Rechtspopulisten einbinden oder abgrenzen?

Von Alexander Dworzak

Politik

Bundeskanzler Sebastian Kurz empfängt Bayerns Ministerpräsidenten Markus Söder. Bei aller Freundschaft zwischen ÖVP und CSU prallen dabei zwei Welten im Umgang mit Rechtspopulisten aufeinander.


München/Wien. Es ist ein Gefallen unter Schwesterparteien. Wenn ÖVP-Kanzler Sebastian Kurz am Freitag den CSU-Ministerpräsidenten Markus Söder empfängt, werden beide pflichtschuldig die blendenden Beziehungen zwischen Österreich und dem Freistaat erwähnen. Im Kern geht es aber um Werbung für einen weiteren Bayern: Manfred Weber. Der 46-jährige tritt bei der Wahl zum EU-Parlament Ende des Monats als Spitzenkandidat der Europäischen Volkspartei (EVP) an. Um "verdammt viel" gehe es dabei, betont Weber. Er wolle Politik aus der Mitte gestalten, nicht durch "rechte Dumpfbacken".

Die Ansage zielt auf rechtspopulistische und rechtsextreme Kräfte. Sie sind derzeit auf mehrere Fraktionen verstreut. Im April stellten die Alternative für Deutschland (AfD) und Italiens Lega die "Europäische Allianz der Menschen und Nationen" vor. Die FPÖ erklärte kurz darauf ihre Beitrittsabsicht. Als weiterer Kandidat gilt Ungarns Regierungspartei Fidesz. Deren Mitgliedschaft in der EVP wurde nach einer Kampagne gegen EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker - ebenfalls ein EVP-Mitglied - ausgesetzt. Ungarns Premier Viktor Orban zündelt weiter, er traf am Donnerstag ausgerechnet Lega-Chef Matteo Salvini.

"Anwanzen" unerwünscht

Ein Unding aus Söders Sicht: "Es ist für uns klar: Es gibt und kann keine Zusammenarbeit mit Rechtspopulisten in Europa geben." Laut Bayerns Ministerpräsidenten habe das neue Rechtsaußenbündnis das Ziel, Europa zu destabilisieren. Eine Fraktion mit Salvini, Frankreichs Rassemblement National unter Marine Le Pen und der AfD sei schlicht "ein No-Go", betonte Söder.

Das gilt auch für die FPÖ, die Bayerns Ministerpräsident wohl aus Rücksicht gegenüber seinem Gastgeber Kurz zwar nicht genannt, aber sicher mitgemeint hat. Das bekam Oberösterreichs FPÖ-Obmann Manfred Haimbuchner bereits 2016 zu spüren, als er sagte, ihm sei die CSU näher als Le Pen oder die AfD. "Der Herr Haimbuchner braucht sich bei uns nicht anwanzen" (bayerisch für anbiedern, Anm.), richtete der damalige CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer via "Oberösterreichischen Nachrichten" aus. "Wer über lange Zeit hinweg die AfD glorifiziert und führende Vertreter von Pegida einlädt, ist für uns ganz sicher kein Partner."

"Bürgerliche Fassade satt"

Was nicht heißt, dass die von der AfD bedrängte CSU nicht genau studiert hat, wie die ÖVP bei der Nationalratswahl 2017 FPÖ-Sympathisanten zurückgewonnen hat. Kurz hat die Volkspartei bei Migration und Integration an die FPÖ angenähert - siehe die Diskussion um die Kindergeld-Kürzung für Bürger aus dem Osten der EU. Aber mit der Schließung der Balkanroute auch ein eigenes Thema gehabt. Die CSU hingegen übte sich in der AfD-Imitation, indem sie deren Lieblingsfeindin, Kanzlerin Angela Merkel, andauernd kritisierte. Damit beschädigten sich die Christsozialen selbst. AfD-Anhänger wählten weiter das Original, Bürgerlich-Liberale wandten sich den Grünen zu.

Aber auch das schlechteste CSU-Ergebnis seit 1950 und zehn Prozent für die AfD bei der Landtagswahl in Bayern im Oktober 2018 änderten nichts am Grundsatz: keine Koalition mit den Rechtspopulisten. Die Devise gab Söder bereits am Wahlabend aus.

Der Ministerpräsident hat sich damit viel Ärger erspart. Wie auch in anderen Bundesländern ist die AfD-Fraktion in Bayern vor allem mit internen Machtkämpfen beschäftigt. Zermürbt vom Kampf mit der dem deutschnational-völkischen Flügel nahestehenden Fraktionschefin Katrin Ebner-Steiner erklärte der zweite Fraktionsvorsitzende Markus Plenk im April: "Ich habe es satt, die bürgerliche Fassade einer im Kern fremdenfeindlichen und extremistischen Partei zu sein." Er will nun ausgerechnet zur CSU wechseln. Hierzulande stören rechtsextreme Umtriebe in der FPÖ wie zuletzt das Braunauer Rattengedicht immer wieder die Harmonie in der Koalition, die Kurz so wichtig ist. Sie kratzen auch international am Ruf der Regierung; sogar die Kurz seit Jahren freundlich gesinnte deutsche "Bild"-Zeitung schreibt von "irrem Ösi-Theater".

Während bei der ÖVP gegenüber der FPÖ weiter das Prinzip Einbinden regiert - wie auch bei der SPÖ im Burgenland -, grenzen sich Deutschlands Konservative dezidiert von der AfD ab. Die CDU lehnte auf ihrem Parteitag "Koalitionen und ähnliche Formen der Zusammenarbeit sowohl mit der Linkspartei als auch mit der AfD" ab. Diese Linie vertreten auch Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer und Kanzlerin Angela Merkel.

Diese Grundsatzentscheidung stellt die Partei vor Probleme. In allen 16 deutschen Landtagen ist die AfD mittlerweile vertreten. In keinem Bundesland trägt sie Regierungsverantwortung. Im Osten der Bundesrepublik erreichen AfD und Linke gemeinsam bis zu 40 Prozent. Das macht Koalitionsfindungen schwierig; in Sachsen-Anhalt regieren Rot, Schwarz und Grün mangels Alternativen.

Fehlende Koalitionsvarianten

Im September finden in Brandenburg und Sachsen Landtagswahlen statt, Thüringen folgt im Oktober. Brandenburgs CDU-Chef Ingo Senftleben scherte aus dem Parteibeschluss aus. Um die rot-rote Regierung abzulösen, ist ihm auch eine Koalition mit der Linkspartei recht; mit der AfD will er aber nicht regieren.

In Thüringens Regierungskanzlei sitzt der einzige Ministerpräsident Deutschlands, den die Linkspartei stellt. Dort ist Björn Höcke, der Vordenker des völkischen Flügels, Chef der AfD. Von ihm grenzt sich Thüringens CDU-Vorsitzender Mike Mohring ab.

In Sachsen hätte die schwarz-rote Regierung von Michael Kretschmer derzeit keine Mehrheit. Der Ministerpräsident lehnt einen Pakt mit der AfD strikt ab. Sachsens CDU-Fraktionschef Christian Hartmann wollte sich dazu erst nicht äußern, erklärte nach Kritik, er habe weder Interesse noch das Ziel, mit der AfD zusammenzuarbeiten. Im Freistaat hat die AfD sogar Chancen, stärkste Kraft zu werden. Mit 26 Prozent liegt sie nur um zwei Prozentpunkte hinter der CDU. Ein AfD-Sieg würde die Debatte um Abgrenzung befeuern.