Istanbul. Das abgesetzte Stadtoberhaupt der türkischen Metropole Istanbul, Ekrem Imamoglu, hat nach der beispiellosen Annullierung der Bürgermeisterwahl durch den Hohen Wahlrat (YSK) eine "Revolution" für Demokratie angekündigt. "Was wir jetzt machen, ist ein Kampf für Demokratie und eine Mobilisierung für Demokratie", sagte Imamoglu in mehreren Interviews mit Blick auf die Wiederholung der Wahl Ende Juni. "Wir wollen uns das zurückholen, was wir schon gewonnen haben." Bei der Neuwahl kann sich der Kandidat der sozialdemokratischen CHP auf eine vereinte Front der türkischen Opposition stützen. Dagegen schickt das Wahlbündnis der islamischen Regierungspartei AKP von Präsident Recep Tayyip Erdogan mit der rechtsextremen MHP erneut den lustlos wirkenden ehemaligen Ministerpräsidenten Binali Yildirim ins Rennen.

Der YSK hatte am Montag nach massiven Beschwerden der AKP die Wahl vom 31. März annulliert und eine Wiederholung angeordnet, eine Entscheidung, die scharfe Kritik im In- und Ausland auslöste. Imamoglu hatte die Wahl knapp vor Yildirim gewonnen und nach Übernahme des Amtes erklärt, scharf gegen Korruption und Vetternwirtschaft alter AKP-Seilschaften vorgehen zu wollen. Die 16-Millionen-Stadt Istanbul mit ihrem jährlichen Milliardenbudget ist das Herzstück von Erdogans Klientelsystem, auf dem seine Herrschaft wesentlich ruht.

Ginge es nach normaler Wahlarithmetik, stünden die Chancen für die Opposition gut, denn einige kleinere Parteien haben inzwischen angekündigt, ihre eigenen Bürgermeisterkandidaten zurückzuziehen und Imamoglu zu unterstützen. Auch die prokurdische HDP bleibt ihrer Empfehlung treu, der Opposition gegen den Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan zum Wahlsieg zu verhelfen. Die Unterstützung der HDP, die in Istanbul auf rund zwölf Prozent der Wähler zählen kann, hatte am 31. März den Ausschlag für Imamoglus Triumph gegeben.

Stadtrivalen vereint

Ohnehin verzeichnet Imamoglu seit seinem Wahlsieg steigende Zustimmungswerte mit seinen Appellen an Versöhnung und Frieden. "Alles wird gut", lautet sein neuer Slogan, der bereits millionenfach in den sozialen Medien kursiert. Gleichwohl ist die Empörung über seine Absetzung enorm. Als die Basketball-Sektionen der Großvereine Fenerbahce und Galatasaray am Mittwoch beim Lokalderby aufeinander trafen, riefen tausende Fans: "Rechte, Gesetze, Justiz!".

Die Spitzen der Oppositionsparteien griffen zu harten Formulierungen, um den YSK zu kritisieren. CHP-Chef Kemal Kilicdaroglu nannte das Gremium eine "Bande", Iyi-Chefin Meral Aksener sprach von einem "Putsch", die Entscheidung der Wahlkommission habe "keinen Funken demokratischer Legitimität".