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Barbara Kolms Parteispenden-Problem

Von Thomas Seifert

Politik

In der Spendenaffäre rund um die OeNB-Vizepräsidentin hat es Zahlungen an das Umfeld von Kolm gegeben.


Wien. Es ist Donnerstag 11.04.2019. Am frühen Nachmittag versammeln sich im 23. Stock des 73 Meter hohen Ringturms rund 45 Teilnehmer (davon weniger als 10 Frauen) zur sogenannten "Free Market Roadshow" . Die roten und grünen Leuchten des Wetterleuchtturms am Dach des markanten Büro-Hochhauses am Schottenring 30 blinken - Aprilwetter. Es ist kalt und nass, das Wochenende wird nicht viel besser.

Doch trotz des trüben Wetters genießen die Vortragsbesucher den atemberaubenden Ausblick auf die Wiener Innenstadt. Barbara Kolm, Direktorin des radikalliberalen Hayek-Instituts begrüßt die Besucher und stellt den 77jährigen Keynote-Speaker Erich Weede, einen deutschen Soziologen, Psychologen und Politikwissenschaftler vor. Weede hält ein Plädoyer für den Egoismus: "Der Egoismus stellt niedrigere kognitive Anforderungen - der Altruist muss zusätzlich wissen, was die Mitmenschen wollen und er muss wissen, wie man diese Ziele erreichen kann. Ich habe die Befürchtung, dass die kognitiven Erfordernisse des Altruismus die Menschen überfordern. Die professionellen Gutmenschen übersehen das."

Spenden gegen Zahlungen?

Doch nun ist die Veranstaltungsreihe Gegenstand von Ermittlungen der Behörden rund um eine Parteispendenaffäre. Denn die EU-kritische europäische Parteienallianz ACRE (Alliance for Conservative and Reformist Parties), zu der etwa auch die britischen Konservativen und die polnische PiS gehören, hat die Veranstaltungsreihe "Free Market Roadshow" mit Zahlungen von je 59.500 Euro an Barbara Kolms Hayek-Institut und ans Austrian Economics Center gesponsert.

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Das ist insofern interessant, da - wie die "Wiener Zeitung" bereits im März berichtete - es Parteispenden an die ACRE aus dem Umfeld von Barbara Kolm gab. So spendete etwa Kolms Mutter, Kolms Firma Triple A, ein ehemaliger Mitarbeiter der Triple A und weitere Personen aus dem Umfeld von Kolms Hayek-Institut und Kolms Austrian Economic Center. 2017 und 2018 haben die Personen aus Kolms Umfeld insgesamt rund 150.000 Euro an die ACRE gespendet. Die meisten dieser Spender haben den Spendenrahmen, den das Gesetz vorsieht, vollständig ausgeschöpft: 12.000 beziehungsweise 18.000 Euro darf man pro Person und Jahr spenden. Es wurde also einerseits aus dem Umfeld von Kolm an die ACRE gespendet, gleichzeitig flossen ACRE-Gelder an zwei Kolm-Institutionen zurück. Da stellt sich die Frage: Welchen Zweck verfolgte dieses Geld-Recycling?

Nun wurde gegen die Veranstalterin der Free Market Roadshow, Barbara Kolm, am 8. Mai von der SPÖ eine Sachverhaltsdarstellung bei der Staatsanwaltschaft Wien eingebracht. Die Vorwürfe lauten: Verstoß gegen § 147 StGB Abs. 3 (Schwerer Betrug), § 153 Abs. 3 StGB (Untreue) sowie §153b StGB Abs. 4 (Fördermissbrauch).

Der grüne Abgeordnete zum Europaparlament, Michel Reimon wiederum hat in der Causa in Brüssel recherchiert und kommt zu folgendem Schluss: "Ich habe die Zahlungsflüsse von einem Whistleblower im Detail aufgeschlüsselt bekommen. Kolm hat demnach Spenden an die ACRE organisiert, die hat damit öffentliche Fördermittel lukriert, und hat mit dem diesem Geld wiederum Aufträge an Kolms Firmen vergeben. Für das Jahr 2017 hat Kolm 60.000 Euro an die ACRE organisiert und ihre Firmen haben das Doppelte zurück bekommen, nämlich zwei Mal 59.500. Ab 60.000 Euro müssen Aufträge ausgeschrieben werden, das wurde mit dem Splitting umgangen. So wie ja auch die Spende aufgeteilt wurde, damit die Höchstgrenze umgangen werden kann."

Die "Wiener Zeitung" konfrontierte Kolm mit einem ausführlichen Fragenkatalog. Kolms Antwort: "Es ist kein Geheimnis, dass es seit Langem eine sehr gute Kooperation zwischen dem AEC und der ACRE gibt. Das ist - bis hin zu den von den EU-Behörden geprüften und freigegebenen Verträgen - alles sehr transparent dargestellt und öffentlich. Veranstaltungen wie die Free Market Road Show bieten auch eine wertvolle Plattform für die ACRE (z.B. Auftritte auch des aktuellen Spitzenkandidaten bei unserer Veranstaltung in Prag 2018 und viele andere gemeinsame Aktivitäten, Logopräsenz bei allen Publikationen etc.)." Kolm bestreitet aber einen Zusammenhang zwischen dieser Kooperation und den Spenden. Antworten auf konkrete Fragen, etwa nach der Höhe der Zahlungen durch die ACRE, blieb Kolm schuldig.

Der Sachverhaltsdarstellung sieht Kolm "mehr als gelassen entgegen": "Ich habe keinen Zweifel, dass hier rechtlich korrekt gehandelt wurde und behalte mir rechtliche Schritte vor. Das ist ein mehr als durchsichtiges Manöver im Wahlkampf. Ich lasse mich nicht durch das Dirty Campaigning einzelner Parteien in den Wahlkampf hineinziehen. Die Opposition will die FPÖ treffen, die mit dieser Sache überhaupt nichts zu tun hat."

Politisch brisant

Tatsächlich ist diese Causa im Vorfeld der EU-Wahl von politischer Brisanz. Kolm wurde auf Vorschlag der FPÖ als Vizepräsidentin der Nationalbank berufen (ein lukratives Amt, das rund 40.000 Euro Jahresvergütung und einen Dienstwagen einbringt). Unter Türkis-Blau zog Kolm auch in den Uni-Rat der Wirtschaftsuniversität Wien ein und übernahm Aufsichtsratsmandate in der ÖBB Holding AG und der ÖBB Infrastruktur AG. Für diese Mandate bekommt sie insgesamt rund 13.500 Euro brutto im Jahr.

Mittlerweile distanzieren sich einige Spender von der Sache: Peter Takacs, einer der ursprünglichen Spender lässt die "Wiener Zeitung" wissen: "Ich habe den Medien entnommen, dass aufgrund einer Sachverhaltsdarstellung ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde. Selbstverständlich werde ich im Zuge der Ermittlungen Auskunft an die zuständigen Behörden erteilen. Ich ersuche Sie jedoch für Verständnis dafür, dass ich ein laufendes Ermittlungsverfahren nicht öffentlich kommentieren darf und möchte."

Eine weitere Spenderin, Eva Maria Berger, gibt zu Protokoll: "Mir ist sehr daran gelegen, dass von offizieller Stelle aufgeklärt wird. Ich möchte und kann dazu, noch dazu, wo jetzt ohnehin ermittelt wird, nichts sagen." Ein dritter Spender lässt wissen, dass er die Parteispende auf Bitte von Barbara Kolm geleistet habe und das heute nicht mehr tun würde.

Nachdem der Fall nun bei der Staatsanwaltschaft liegt, werden diese Personen unter Wahrheitspflicht aussagen müssen, ob sie diese Spenden auf Bitten von Kolm geleistet haben und ob Sie die geleisteten Spenden von Kolm rückerstattet bekommen haben.

Problem Parteispende?

Aber warum werfen diese Parteispenden eigentlich Fragen auf?

Gemäß Art. 17 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1141/2014 über das Statut und die Finanzierung europäischer politischer Parteien und europäisch politischer Stiftungen müssen europäische politische Parteien 15 Prozent ihrer Ausgaben durch Eigenmittel (in der Regel Spenden) aufbringen. Können Sie das - wie die ACRE im Jahr 2017 nicht - dann können sie auch nicht ihren vollen Anspruch auf Förderungen aus EU-Mitteln abrufen. Gemäß Art. 20 der EU-Verordnung dürfen europäische politische Parteien Spenden aber lediglich bis zur Höhe von 18.000 Euro pro Spender und Jahr annehmen: "Es besteht aus diesen Gründen der Verdacht, dass die Verdächtige - und möglicherweise weitere unbekannte Verdächtige - durch die Aufteilung einer höheren Spende auf mehrere SpenderInnen diese Bestimmung umgehen wollte", heißt es in der von der Kanzlei Freimüller/Obereder/Pilz an die Staatsanwaltschaft übermittelte Sachverhaltsdarstellung.

SPÖ-Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda, SP-Bundesgeschäftsführer und Sepp Schellhorn von den Neos fordern, dass Kolm sich bis zur Klärung des Sachverhalts ihre Funktion in der Nationalbank zurücklegt. Und auch Wirtschaftskammerpräsident Harald Mahrer (er ist auch Nationalratspräsident der Nationalbank) sagt gegenüber der "Wiener Zeitung": "Ich verfolge die Berichterstattung intensiv und werde mir ein detailliertes Bild der Situation verschaffen."

EU-Papier über Parteispenden
EU-Audit-Report 2017