"Wiener Zeitung": Bei den Europawahlen müssen die Sozialdemokraten laut Prognosen mit Verlusten rechnen, die Grünen könnten dazugewinnen. Werden die linken Fraktionen insgesamt verlieren?

Felix Butzlaff: Europawahlen sind wesentlich schwieriger einzuschätzen als nationale Wahlen. In Europa ist die Rechte ist seit einigen Jahren im Aufwind, das liegt aber an der Stimmung in den Nationalstaaten. Auf europäischer Ebene hat die Rechte wenig Konkretes vorzuweisen. Bei der Linken ist das anders, vor allem bei den Sozialdemokraten. Sie begreifen die europäische Ebene viel stärker als politische Bühne.
Tragen sie ihre Forderungen verstärkt nach Brüssel, weil sie proeuropäisch sind?
Nicht nur deshalb, sondern auch, weil sie konkrete Arbeit im Europaparlament leisten. Das macht die Linke auch - im Gegensatz zu den Rechten - aber sie ist europapolitisch nicht in der Position, in der sie über Koalitionen viel umsetzen kann. Die Sozialdemokraten haben hingegen, mit der Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP) eine etablierte Arbeitsebene. Die konkrete EU-Politik ist bei der Linken viel stärker als bei den Rechten. Diese haben kein Programm für die EU, das der Rede wert ist und hoffen, dass sie bei den Wahlen nationale Vorurteile gegenüber Europa schlagend machen können.
Wie zeigt sich das im Wahlkampf?
Auf den FPÖ-Plakaten sieht man Strache und wenn überhaupt noch Vilimsky, das wars dann auch. Es geht nicht darum, in der EU etwas umzusetzen, sondern darum, Stimmen zu bekommen mit der Ansage, dass Europa Quatsch ist. Das zeigt sich auch daran, dass rechte Parteien im Europaparlament kaum arbeiten. Das muss aber nicht so bleiben - die Italiener und Ungarn wollen die EU nun zu einer rechten Politikbühne machen. Bei den Linken gibt es Bestrebungen, diesen rechten Aufwind als Wahlmotivation für sich zu nutzen: Wenn ihr wollt, das die Rechtspopulisten in der EU nicht bestimmen, müsst ihr wählen gehen. Das Argument wird in fast allen Staaten gespielt.
Ändert das etwas?
Es ist schwer zu sagen, wie die Sozialdemokraten (S&D) abschließen werden. Ausschlaggebend dafür ist wohl die Wahlbeteiligung. Insofern halte ich es nicht für ausgemacht, dass die Sozialdemokraten überall verlieren. Gerade in Österreich stelle ich das infrage.
Die EU-Wahlen sind häufig eine Abstrafung der nationalen Regierungen. So werden die Sozialdemokraten in Rumänien wohl einen Rekordverlust einfahren.
Das ist richtig. Die Sozialdemokratie in Rumänien ist allerdings ein Sonderfall, der für eine Mischung aus Nationalpopulismus und Sozialdemokratie steht.