Washington/Brüssel/Wien. Noch eineinhalb Wochen sind es bis zur EU-Wahl. Groß war die Furcht, dass der Wahlkampf im Netz durch Fake News und Troll-Attacken beeinflusst werden könnte. Das ist bisher nicht passiert. Offenbar hat man aus den Skandalen im US-Präsidentschaftswahlkampf 2016 gelernt. Welche Gefahren für Demokratie und Wahlprozesse im Internet lauern, erläutert der US-Experte James Geraghty im Interview.
"Wiener Zeitung": Sie sind oft bei CNN und Fox News als Experte eingeladen. Wo gibt es weniger Fake News?
James Geraghty: Das ist stark vom Moderator und von der Sendung abhängig, welcher Sender seriöser ist. Fox News ist der Lieblingssender von US-Präsident Donald Trump. Der Sender-Slogan "Fair & Balanced" darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass es dort sehr meinungslastig zugeht. Und wenn Fox-Anchorman Sean Hannity denselben Anwalt wie Trump hat, sollte man das transparent machen. Es gibt aber auch bei CNN Dinge, die mir nicht so gut gefallen. So verbreitet ausgerechnet der Moderator der Sendung "Reliable Sources" ("Verlässliche Quellen") hin und wieder Informationen, die schlicht falsch sind.
Facebook hat jüngst 23 italienische reichweitenstarke Accounts gesperrt, die laut der NGO "Avaaz" Falschinformationen über Migration und die Impfdebatte sowie antisemitische Postings verbreiteten. Die Hälfte der Konten unterstützte extreme Parteien wie die Lega oder die Fünf-Sterne-Bewegung. Da stellt sich schon auch die Frage, ob hier die Meinungsfreiheit eingeschränkt wurde. Fällt dies in den Zuständigkeitsbereich von Facebook?
Die Designs von Sozialen Plattformen wie Facebook, Instagram und Twitter sind bewusst so konstruiert, dass sie einfach zu nutzen sind. Außer einer Telefonnummer benötigt man auf Facebook zur Registrierung keinerlei Meldedaten. Die unkomplizierte Nutzung für Sie und mich bedeutet gleichzeitig eine unkomplizierte Nutzung für die "Bad Guys". Das blendet Facebook aus und behauptet: Wir sind kein Medienhaus, sondern nur eine Plattform und nicht für die Inhalte verantwortlich. Dieses Verhalten ist inzwischen inakzeptabel.
Wenn Menschen Morde live streamen oder in privaten Gruppen gegen Menschen hetzen und damit gegen jegliche Social-Media-Richtlinien verstoßen?
Ja, Mark Zuckerberg muss realisieren, dass nicht wir als Privatpersonen Inhalte sperren können, sondern seine Firma die Verantwortung trägt. Ob Facebook wollte oder nicht - es ist zu einem Medienunternehmen geworden.