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Die britischen Brexit-Gespräche sind tot

Von Michael Schmölzer

Politik

Labour-Chef Corbyn erklärt Ende der Verhandlungen. Kein Ausweg bis Oktober in Sicht.


London/Wien. Wer gedacht hätte, dass es für die britische Premierministerin Theresa May nicht mehr schlechter kommen könnte, der hat sich getäuscht: Am Freitag erklärte der Chef der oppositionellen Labour-Party, Jeremy Corbyn, die Brexit-Gespräche mit der Regierung für unwiderruflich gescheitert. Sechs Wochen haben die Verhandlungen gedauert, jetzt sind sie tot, wie Corbyn bekannt gab. Es sei nicht gelungen, "gewichtige politische Differenzen" auszuräumen.

Brüssel hat May Zeit bis zum 31. Oktober gegeben, das Abkommen in ihrer Heimat durchzubekommen. Der Premierministerin wurde der Ratschlag erteilt, die wertvolle Zeit nicht zu vergeuden. Genau das ist jetzt passiert, wie der britische Boulevard hämisch bemerkt. Die Rede ist von "six wasted weeks".

Dass May überhaupt Gespräche mit den britischen Sozialdemokraten aufgenommen hat, kommt bereits einer Verzweiflungstat gleich. Vor diesem Schritt war sie im Parlament dreimal mit ihrem EU-Deal gescheitert - zu einem großen Teil am Widerstand in den eigenen Reihen.

Mit dem Rammbock

Jetzt ist der Scherbenhaufen perfekt, ein ungeordneter Brexit wahrscheinlicher denn je und Mays Tage an der Spitze der Regierung gezählt. Die Konservative kämpft zäh und unverdrossen, sie möchte dem "Willen des Volkes" entsprechen und der hat im Juni 2016 mit einer Mehrheit von 52 Prozent einen Austritt aus der EU verlangt. Anfang Juni will May deshalb mit dem Rammbock gegen verschlossene Türen anrennen und die Parlamentarier zum vierten Mal über ihren Deal mit der EU abstimmen lassen.

Die Erfolgsaussichten sind gleich Null, weil sich die verfahrene Situation nicht geändert hat. Immer noch ist ein großer Teil ihrer Fraktion gegen den Plan. Die Unterstützung von Labour hat sie nicht bekommen. Am 23. Mai treten die Abgeordneten kollektiv den traditionellen Kurzurlaub, "Whitsun", an, der bis zum 4. Juni dauert. In dieser Zeit kommt US-Präsident Donald Trump zu Besuch nach London, um den 75. Jahrestag der alliierten Invasion in der Normandie, den D-Day, feierlich zu begehen.

Er wird dann wahrscheinlich auf eine Premierministerin treffen, die sich gegen das unvermeidliche Ende stemmt.

May hat bereits ihren Rücktritt versprochen - quasi als "Belohnung", wenn ihre Kritiker dem Deal zustimmen. Das hätte für Mays Gegner den Vorteil, dass die eigentlichen Scheidungsverhandlungen mit der EU schon von einem anderen Premier geführt werden könnten. Kaum jemand geht davon aus, dass sich May halten kann, wenn sie ihren EU-Deal nicht durchbringt.

Seit Monaten ist sie mit Rücktrittsaufforderungen aus den eigenen Reihen konfrontiert, sie kann sich schon jetzt nur noch mit Mühe halten. "Die wachsende Schwäche und Instabilität der Regierung" sei auch der Hauptgrund dafür, dass sich die Brexit-Verhandlungen erübrigt hätten, so Corbyn. Egal, was herausgekommen wäre, es hätte kaum noch gegolten, sagt der Labour-Chef.

Unterdessen wagen sich die ersten innerparteilichen Kritiker, die May an der Parteispitze beerben wollen, aus der Deckung. Allen voran Ex-Außenminister und "Ober-Brexiteer" Boris Johnson, der ankündigte, für das Amt des Parteichefs zur Verfügung zu stehen. Er habe "endlosen Appetit, dem Land auf den richtigen Weg zu helfen". Im Rennen sind auch Brexit-Hardliner und Umweltminister Michael Gove und Außenminister Jeremy Hunt.

Unterdessen rasselt das Pfund im Eiltempo nach unten. Freitagmittag verbilligte sich die britische Währung auf 1,2740 Dollar. Das ist der niedrigste Stand seit vier Monaten, die Talsohle ist noch nicht erreicht.