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Ausgerechnet Tsipras

Von WZ-Korrespondent Ferry Batzoglou

Politik

Urlaub auf einer Luxusyacht: Badehosen-Fotos kosten den linken griechischen Premier massiv Sympathien.


Athen. Dem griechischen Regierungschef Alexis Tsipras vom "Bündnis der Radikalen Linken" ("Syriza") bläst derzeit ein scharfer Gegenwind ins Gesicht: Das liegt nicht zuletzt an zwei Fotos, die am Montag voriger Woche auf Twitter aufgetaucht sind. Sie zeigen Tsipras entspannt in Badehose und mit Zigarre auf der im Ionischen Meer unweit von Ithaka treibenden Luxusyacht einer steinreichen griechischen Reederfamilie. Der symbolkräftige Name der Luxusyacht: "Odysseus".

Die Yachtbesitzerin bestätigte Tsipras’ geheim gehaltenen Gratis-Urlaub prompt und begründete ihn damit, Tsipras sei "müde gewesen" und habe sich "erholen müssen".

Für viele Griechen ist das starker Tobak. Ausgerechnet Tsipras, der vermeintliche Oligarchen-Schreck, der verbal gerne vollmundig gegen die griechischen Superreichen wetternde Linkspolitiker, macht umsonst Urlaub auf einer Luxusyacht eines Reeders?

Steilvorlage für die Opposition

Es war eine Steilvorlage für die führende Oppositionspartei, die konservativ-liberale Nea Dimokratia (ND). Sie wird von Tsipras gerne als "Partei der Elite" attackiert. "Keiner hat die Elite in Hellas so begünstigt wie Tsipras und seine Syriza", legt der ND-Politiker Georgios Amyras den Finger in die Wunde. Er stellt fest: Den Oligarchen gehörenden privaten TV-Sendern seien großzügige Ratenzahlungen für die fälligen Lizenzgebühren gewährt worden. Ferner entrichten die weiter steuerbefreiten Reeder nur einen niedrigen jährlichen solidarischen Betrag an den Fiskus, der sogar nur etwa halb so hoch sei wie unter der konservativen Vorgängerregierung - und zwar wie gehabt nur auf freiwilliger Basis. Tsipras habe zudem die Steuer für Casinobetreiber radikal gesenkt.

Hohe Wellen schlägt auch der Zeitpunkt von Tsipras’ Gratis-Luxusurlaub in dem nach einer Krisen-Dekade weitgehend verarmten Hellas: Er fand im August 2018 statt, unmittelbar nach der Feuerkatastrophe im Küstenort Mati unweit von Athen, die 102 Menschenleben kostete. Das Feuerinferno offenbarte vor allem eines: das komplette Staatsversagen.

Wer bei Tsipras Selbstkritik erwartete, der irrte gewaltig. "Ich habe ein Recht auf private Momente", verteidigte er sich in Sachen Yachturlaub - und ergriff sofort die Flucht nach vorne.

Bereits einen Tag nach der Enthüllung kündigte Tsipras an, den ursprünglich von seiner Regierung angehobenen Mehrwertsteuersatz für Lebensmittel, Energie und Gastronomie von 24 Prozent wieder auf 13 Prozent zu senken. Ferner wolle er allen Pensionisten mit jährlich zusätzlich einer Rentenzahlung - im Schnitt rund 350 Euro - finanziell unter die Arme greifen. Die Maßnahmen sind derweil von Athens Parlament verabschiedet - im Eiltempo.

Und Tsipras legte sogar nach. Am Donnerstag traf er sich medienwirksam mit Vertreterinnen der landesweit rund 3000 Putzfrauen an öffentlichen Schulen. Er versprach ihnen eine Gehaltserhöhung um zehn Prozent. Davon können Privatangestellte in Griechenland nur träumen. Dass angesichts der plötzlichen Ausgabenfreude von Tsipras der griechische Notenbank-Chef Jannis Stournaras in einem Interview mit der "Financial Times" Alarm schlug, war Tsipras nicht besonders wichtig.

Griechenland befindet sich in einem Superwahljahr. Die Europawahlen sowie die ebenfalls am 26. Mai anstehenden Kommunal- und Regionalwahlen gelten als Gradmesser für die politischen Kräfteverhältnisse in Hellas, bevor turnusgemäß spätestens im Oktober Parlamentswahlen anstehen.

Abstrafung bei EU-Wahl?

Anders als bei den letzten Europawahlen 2014, die Tsipras’ Syriza erstmals gewann und die den Weg für den Machtwechsel in Athen bei den Doppelwahlen 2015 ebneten, steht Tsipras nun deutlich schlechter da. Die Europawahlen könnten der Anfang vom Ende seiner Polit-Dominanz in Athen sein. Jüngsten Umfragen zufolge liegt Syriza landesweit zwischen sechs und neun Prozent hinter der ND mit Tsipras-Widersacher Kyriakos Mitsotakis. Damit setzt sich ein Trend fort, der schon seit Anfang 2016 besteht: Die oppositionelle ND liegt klar vor der Regierungspartei Syriza.

Es folgen die rechtsextreme Goldene Morgenröte und die sozialdemokratische Kinal vor den Kommunisten. Andere Parteien dürften den Sprung ins Europaparlament wohl nicht schaffen, auch die von dem schillernden Ex-Finanzminister Yanis Varoufakis ins Leben gerufene Partei "MeRA25". Sie dümpelt in Umfragen bei unter zwei Prozent der Stimmen.

Auch bei den Wahlen der Chefs der 13 Regionalverwaltungen sowie der 332 Bürgermeister droht Tsipras’ Syriza ein politischer Rückschlag. In Hellas’ wichtigster Region Attika sowie im bevölkerungsreichen Makedonien, aber auch auf kommunaler Ebene in den größten Städten liegen die
Syriza-Kandidaten in Umfragen abgeschlagen auf hinteren Plätzen.

EU-Themen im Hintergrund

Europathemen spielen bei den Europawahlen in Griechenland keine Rolle. Tsipras wirbt damit, das krisengeschüttelte Griechenland nach dem faktischen Staatsbankrott im Frühjahr 2010 und drei Kreditprogrammen in Folge im August 2018 aus den Rettungsschirmen geführt zu haben.

Doch der Ausgang des Namensstreits mit Griechenlands nördlichem Nachbarn Nordmazedonien, ferner der von Tsipras bis dato realisierte knallharte Sparkurs in Athen, der insbesondere die Mittelschicht wie eine Zitrone ausgequetscht hat, sowie schließlich das Staatsversagen bei besagtem Feuerinferno in Mati kosten Tsipras und Co. massiv Wählerstimmen.

So will Tsipras auf der Schlussgeraden vor den Europawahlen mit Last-Minute-Wahlgeschenken punkten. Weil die nun beschlossene Extra-Rentenzahlung am 20. Mai auf die Bankkonten der 2,6 Millionen Rentner im zehn Millionen Einwohner zählenden Hellas überwiesen wird, spricht nicht nur die gesamte Opposition abschätzig von einem "Wahl-Bonus" und "Stimmenkauf".